Tranquilized

Zu Hella Eckerts Roman "Da hängt mein Kleid"

Von Robert HabeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Robert Habeck

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Hella Eckerts Buch beginnt, wie man sich eine Liebesgeschichte unter Jugendlichen vorstellt und wie man seine eigenen Liebesgeschichten gern erinnern möchte: Heiß - klimatisch wie sexuell. So heiß, dass die die Grenzen zwischen Subjekt und Objekt schmelzen und Dinge sich in sich selbst verkriechen - auch sprachlich. Der Roman ist lakonisch geschrieben, als hätte man an einem fünfunddreißig-Grad-Nachmittag nichts Besseres zu tun, als "mitzumachen. Zu ficken, zu träumen oder einfach auf dem Bett herumzuliegen und mit den Fingern zu schnipsen."

Nellie Goldberg ist 18, arbeitet in einem Schuhgeschäft, liebt Max, mit dem sie sieben Tage lang jene oben beschriebenen lethargischen Nachmittage verbringt. Anders aber als jene "Fänger im Roggen"-Romane, zuletzt Dirk Wittenborns "Unter Wilden" wird dieser Sommer nicht zur ewigen Jugend stilisiert, sondern zu einem allmählichen Absterben. Nellie und Max fahren, wovon Nellie immer geträumt hat, nach Paris - und es ist öde. Nellie erwischt ihren Liebsten, als er mit ihrer Schwester schläft. Sie selbst ist permanent durch synthetische Drogen so tranquilized wie der ganze Roman, und findet es eigentlich nicht sonderlich aufregend, eher peinlich mit anzusehen, wie Menschen keuchen. Nellie treibt ein Kind ab, der vermeintliche Vater nimmt sich das Leben, ihre drogensüchtige Schwester ebenfalls, Nellie und Max heiraten. All das erzählt Eckert in einer harten, kantigen, manchmal anstößigen, manchmal lyrischen Sprache. Diese trifft auf eine Lebenshaltung der vollkommenen Passivität. Das gibt dem Buch literarisch eine enorme Spannung, den auf Erinnerungen versessenen Lesenden macht es fertig.


Titelbild

Hella Eckert: Da hängt mein Kleid. Roman.
Luchterhand Literaturverlag, München 2003.
238 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN-10: 3630871445

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