Fluch oder Freude? - Manfred Mittermayers "BasisBiographie" zu "Leben, Werk und Wirkung" Thomas Bernhards

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Einführende Monografien zu Thomas Bernhard gibt es mittlerweile einige. Der klassischen rororo-Variante von Hans Höller (1993) folgte u. a. Joachim Hoells Biografie in der Reihe "dtv portrait" (2000) - und nun also Manfred Mittermayers "Thomas Bernhard. Leben, Werk und Wirkung" in der Reihe "Suhrkamp BasisBiographie".

Mittermayer gehört zu den Herausgebern der 22-bändigen Thomas-Bernhard-Werkausgabe und gehört nicht zuletzt durch seine vielen wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu Bernhard seit vielen Jahren zu den ausgewiesenen Kennern des österreichischen Schriftstellers.

Mittermayers Kurzbiografie folgt den üblichen Standards ihrer Vorgängerpublikationen, kann sich allerdings darüber hinaus auf neuere Nachlassforschungen stützen, die von Mittermayer und seinen Mitstreitern im Zuge eines mehrjährigen Projekts zur Biografie Bernhards durchgeführt wurden.

Bernhards kontroverse Rezeption und nicht zuletzt seine zunehmende 'Kanonisierung' ist in den letzten Jahren weit forangeschritten - und Mittermayers Arbeit bemüht sich, diese Entwicklungen im gegebenen Rahmen mit einzubeziehen und differenziert zu beschreiben. "An diesem toten Giganten wird niemand mehr vorbeikommen", prophezeihte Elfriede Jelinek bereits 1989 in ihrem Nachruf auf Bernhard, und schon zeitlebens konnte der Autor seinen literarischen Einfluss selbst mit gemischten Gefühlen beobachten: "Bei etlichen jungen Leuten, deren Schreibweise sehr stark an die meine erinnert, weiss ich nicht, soll ich mich freuen, oder das ganze schreibende Gesindel verfluchen!", zitiert ihn Mittermayer aus einem Brief an Siegried Unseld vom 28.4.1970.

Mittermayer bezieht in seiner Darstellung auch neueste Veröffentlichungen wie Arnold Stadlers "Mein Stifter" (2005) mit ein, in denen aktuelle Schriftsteller - und nicht zuletzt, trotz Bernhards misogynem Frauenbild, auch Schriftstellerinnen wie etwa Marlene Steeruwitz - zunehmend kommentierenden, kritisierenden oder imitierenden Bezug auf Bernhard nehmen.

Teilweise käme es hier zu einem "stark inhaltliche[n] Sog", der zur Folge habe, dass sich rezipierende Schriftsteller "bis zur völligen Verschmelzung mit Bernhard identifizieren und erst mit großer Anstrengung wieder zu sich selbst finden", wie es Mittermayer formuliert. Dies führe mitunter am Ende zu "recht heftigen Befreiungsakten", zu denen Mittermayer treffenderweise auch Andreas Maiers Dissertation "Die Verführung. Thomas Bernhards Prosa" (2005) zählt, in der der junge Romancier, dessen bisherige Bücher als stilistische Bezugnahmen auf Bernhard gelesen wurden, seinem offensichtlichen Vorbild absurderweise 'mangelnde Authentizität' vorwarf.

Mittermayers "BasisBiographie" hat mithin den Vorteil, auch aktuellste Rezeptionsphänomene aufgegriffen zu haben. Zumindest in den kommenden Semestern dürfte das Bändchen deswegen als Stichwortgeber in keinem Seminararbeits-Handapparat mehr fehlen.

J. S.

Titelbild

Manfred Mittermayer: Thomas Bernhard.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2006.
160 Seiten, 7,90 EUR.
ISBN-10: 3518182110

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