Wie eine Feuersbrunst

Alfred Estermann hat Arthur Schopenhauers Verlagskorrespondenz gesichtet

Von Jan SüselbeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jan Süselbeck

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Thomas Bernhard nannte ihn einen "Lachphilosophen". Was der österreichische Schriftsteller mit dieser spitzbübischen Titulierung gemeint haben könnte, lässt sich jetzt äußerst unterhaltsam in dem Buch nachvollziehen, das der Mainzer Literaturprofessor Alfred Estermann über Schopenhauers Korrespondenz mit dem Verlagshaus Brockhaus vorgelegt hat.

Estermann entschuldigt sich eingangs für den Umfang seiner Studie, die jedoch mit 260 Seiten durchaus knapp zu nennen ist - dafür nämlich, dass in ihr immerhin ein "Briefwechsel aus vier Jahrzehnten, von der Zehn-Zeilen-Notiz bis zur Acht-Seiten-Epistel" mit dem Anspruch analysiert wird, "eine ebenso dichte wie facettenreiche Autor-Verleger-Beziehung in allen wesentlichen Einzelteilen darzustellen".

Estermann zitiert u. a. bislang unveröffentlichte Originaldokumente und hat das vertrackte Verhältnis Schopenhauers zum Verleger seines Hauptwerks "Die Welt als Wille und Vorstellung" (1819), von dem der Philosoph Zeit seines Lebens zwei weitere Ausgaben überarbeitete und beträchtlich ergänzte, plastisch wiedergegeben.

Es ist, als lese man in einer wunderbaren Komödie über das Verlagswesen oder einer beißenden Satire auf den weltberühmten, als Misanthropen berüchtigten Schopenhauer. Doch es ist ja alles wahr, stellt man bei der Lektüre immer wieder begeistert fest, Schopenhauer war also wirklich dieser Clown, der als so genannter Philosoph des Mitleids nicht zögerte, selbst gnadenlosen Hass auf seine Feinde zu predigen. Auch noch nach 20 Jahren trat er im neuen Vorwort zu seiner "Ethik", in der er die Idee der Rache kategorisch verwarf, gegen diejenigen genüsslich nach, deren unrechte Missachtung seines Schaffens im öffentlichen Ansehen doch längst zur Genüge geächtet war.

Schopenhauer erscheint in Estermanns Darstellung als ein Mensch, der von Anfang an von sich selbst und seinem Werk restlos überzeugt war. "Mein Ruhm wird wachsen, und zwar nach den Gesetzen einer Feuersbrunst", schreibt er an seinen Verleger, der es mit einem so egozentrischen Autor selbstverständlich nie leicht hatte. Drei Verleger-Generationen kämpften bei Brockhaus mit den Launen des eigensinnigen Denkers und verschrobenen Publizisten. Mit dem ersten, Friedrich Arnold Brockhaus (1772-1823) kam es sogar zum definitiven Bruch, nachdem Schopenhauer seine brieflichen Unverschämtheiten weit überzogen hatte, wie Estermann dokumentiert.

Einerseits verkannte Schopenhauer die aufkommenden verlegerischen Marketingstrategien, die den äußerst schleppenden Absatz seines Hauptwerks, zumal in den ersten beiden Auflagen, hätten beleben können. Andererseits kann man nach der Lektüre von Estermanns Buch nicht anders, als den Philosophen restlos dafür zu bewundern, wie konsequent er sich gegen jede auch noch so geringfügige Werbung für sein Lebenswerk strikt verwahrte. Er war ganz einfach davon überzeugt, dass es auch so, nach der "eingetretenen Entlarvung der bloßen Spiegelfechtereien, endlich doch durchdringen" werde. Und zwar trotz der Tatsache, dass man zu allen Zeiten "das traurige Schauspiel gesehn" habe, "daß das Aechte, das wirklich Werthvolle verkannt und vernachlässigt wurde, während die Scharlatanerie ihre Triumphe feierte und das Falsche und das Schlechte kulminirte".

Die Philosophiegeschichte gab seiner Überzeugung posthum Recht. Und Estermanns Buch unterstreicht das nochmals, noch dazu auf besonders belustigende Weise.


Titelbild

Alfred Estermann: Schopenhauers Kampf um sein Werk. Der Philosoph und seine Verleger.
Insel Verlag, Frankfurt a. M. 2005.
264 Seiten, 24,80 EUR.
ISBN-10: 3458172521

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