Niedliche Enttäuschungen

Über Manu Larcenets Comic "Der alltägliche Kampf"

Von Fabian KettnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Fabian Kettner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Marco Louis ist lange Zeit erfolgreicher Fotoreporter gewesen, wozu er keine Lust mehr hat. Er macht seit Jahren eine Psychotherapie, die er nun beenden möchte; immer wieder bekommt er ohne Ankündigung Angstzustände, die ihn vollkommen aus der Realität werfen und gefährden.

In meist ruhigen Bildern mit warmen, gedeckten, erdigen Farben erzählt Manu Larcenet eine unabgeschlossene Geschichte, in deren Verlauf sich sein Zeichenstil weiterentwickelt. Vor allem seine Figuren, allesamt eher typische Comicfiguren, oft mit Gurkennasen und einem Hang zur Niedlichkeit (vergleichbar dem "Spirou & Fantasio"-Universum), bekommen mehr Leben und Herz. Das Niedliche springt um ins rot-schwarze Alptraumhafte, wenn Marco von seinen Angstattacken überwältigt wird, die Bilder sich auflösen, nur noch aus dem Zentrum der Panik zu bestehen scheinen und Marcos Gesicht wie das eines Toten aussieht, dem Augen und Mund fein ausgefressen wurden. Die Figuren lässt Larcenet durch Bilder einer Landschaft laufen, die wie klassische (d. h. 'seriöse') Landschaftsmalerei aussehen. Vor fein gestrichelten schwarz/weiß-Bildern präsentiert er zwischendurch innere Monologe.

Marco hat keine Lust mehr. Nicht mehr auf sein bisheriges Leben - aber worauf dann? Nur keine Lust zu haben, das reicht ihm nicht. So ist er ratlos; darin besteht der alltägliche Kampf. Entwickelt sich ein Aspekt seines Lebens zum Besseren, kommt wenig später von woanders her ein Rückschlag. Er lebt gerne allein und zurückgezogen und will keine Veränderungen - andererseits verliebt er sich gerne. Der Rückzug gelingt nicht, das bisherige Leben ragt in das, was nun kommen und anders sein soll, hinein. Marco muss alltäglich kämpfen gegen seine Angst, gegen seine Vergangenheit, gegen Enttäuschungen durch Menschen, die man schon länger mag oder die zu mögen man gerade begonnen hat, weil sie nicht so sind, wie man sich das vorstellte. Er muss arbeiten, weil er noch weiterleben will, aber das, was er fotografisch arbeiten könnte, das erträgt er nicht mehr, und das, was er arbeiten möchte, das hat nicht den nötigen Erfolg. Die Verwehrung kommt nicht nur von außen: gelingt ihm etwas, wird er von genau dem, was ihm gelang, wenig später wieder enttäuscht.

Larcenet erzählt keine 'sympathische Verlierergeschichte', bei der das Scheitern zur selbstzufriedenen Pose stilisiert wird. Er erzeugt aus Bildern und Dialogen eine zurückhaltende und deshalb einfühlsame Geschichte, die ebenso einfach erzählt wie komplex ist, die nicht nur dem Leser, sondern auch Witz und Traurigkeit genügend Platz lässt, um sich auseinander zu erzeugen.


Titelbild

Manu Larcenet: Der alltägliche Kampf.
Übersetzt aus dem Französischen von Barbara Hartmann.
Reprodukt Verlag, Berlin 2004.
54 Seiten, 13,00 EUR.
ISBN-10: 3931377474

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Manu Larcent: Der alltägliche Kampf. Zweiter Teil: Belanglosigkeiten.
Übersetzt aus dem Französischen von Barbara Hartmann.
Reprodukt Verlag, Berlin 2005.
64 Seiten, 13,00 EUR.
ISBN-10: 3938511052

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch