Hitlers "Frauen" kommen nicht vor

Zur "Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager" von Wolfgang Benz und Barbara Distel

Von Wolfgang WippermannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Wolfgang Wippermann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Hitlers "Frauen" kommen nicht vor. Von seinen Hunden und seinem kitschigen "Untergang" ganz zu schweigen. Selbst sein Name wird auf über 600 Seiten nur neun Mal erwähnt. Für zeitgeschichtliche Arbeiten ein Rekord, und zwar ein positiver. Möglich wurde er, weil die Eichingers und Knopps nichts mitgewirkt haben, die das öffentliche und öffentlich-rechtliche Bild des "Dritten Reiches" neuerdings prägen - und immer schöner und moderner machen. Wohl aber trugen verschiedene Fach- und noch mehr Laienhistoriker zu dem Band bei. Vom "schönen Schein des Dritten Reiches" (Peter Reichel) ist hier nicht die Rede. "Kitsch" wird nicht mit "Tod" (Saul Friedländer) juxtapositioniert. Es geht um Tod und "Terror". Und der wird so beschrieben, "wie es wirklich gewesen ist" - schrecklich und nicht schaurig-schön wie im Kino und auf der Mattscheibe.

Aus meiner Sicht ist dies ein großes Lob für diesen zweiten Band des auf sieben Bände angelegten Kompendiums der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Verdient haben es einmal die Herausgeber: Die überaus aktive Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau und Mitherausgeberin der "Dachauer Hefte" Barbara Distel und der bekannte Professor für Neuere Geschichte an der TU Berlin, Wolfgang Benz. Sehr zu loben, aber nicht im Einzelnen zu nennen sind auch die über 70 weiteren Autoren, die größere und viele kleinere Beiträge beigesteuert haben.

Einmal über die 93 Konzentrationslager, die in den ersten Monaten des Jahres 1933 überall in Deutschland errichtet wurden. (Die Zahl und auch die Karte auf der letzten Umschlagseite sind nicht vollständig). Zum anderen über das KZ Dachau und seine (offensichtlich vollständig erfassten) 152 Außenlager. Schließlich (aber leider etwas knapp) die "Emslandlager". Darunter die insgesamt 13 Lager, die hier 1933 gegründet wurden. Dann das von 1933 bis 1936 bestehende KZ Esterwegen, die zwischen 1934 und 1939 wiederum im gesamten Emsland unterhaltenen Strafgefangenenlager und schließlich die Militärstrafgefangenen lager 1939-1945.

Diese Dreiteilung bzw. Zusammenfügung von frühen Lagern, Emslandlagern und Dachau mit seinen Außenlagern erscheint mir etwas erklärungsbedürftig zu sein, was jedoch nicht hier, sondern vermutlich in einem anderen Band geschieht.

Zu fragen ist auch, ob neben den Konzentrations- auch die übrigen nationalsozialistischen Zwangslager - von den "Arbeitserziehungs"- bis hin zu den "Zigeunerlagern" - behandelt werden. Dies erscheint mir einmal aus sachlichen Gründen notwendig zu sein. Aus der Sicht der Häftlinge unterschieden sich die Verhältnisse in diesen 'anderen Lagern' häufig kaum von denen, die der zentralen "Inspektion der Konzentrationslager" unterstanden. Außerdem befanden sich verschiedene dieser anderen Lager häufig in unmittelbarer Nachbarschaft oder sogar an gleicher Stelle wie die Konzentrationslager. Ein Beispiel sind die Emslandlager, die wie bereits angedeutet verschiedene Typen im System der nationalsozialistischen Zwangslager repräsentierten.

Hier geht es nicht nur um historische Feinheiten und historiographische Spitzfindigkeiten. Ist doch die Haft in einem Zwangslager, das von den Nationalsozialisten nicht zu den offiziellen Konzentrationslagern gerechnet wurde, von den Entschädigungsbehörden der Bundesrepublik meist nicht als solche anerkannt und entsprechend entschädigt worden. Außerdem wurden die Stätten der anderen Lager in der Regel nicht zu Gedenkstätten.

Doch dies traf (und trifft bis heute) auch auf die weitaus meisten Außenlager und selbst auf verschiedene Konzentrationslager selber zu. Zu diesem Umgang mit der Vergangenheit hätte man sich mehr Informationen gewünscht. Bei einigen Lagern gibt es sogar überhaupt keine Angaben darüber, was aus ihnen nach 1945 geworden ist. Wenn es zur Errichtung von Denkmälern und Gedenkstätten gekommen ist, dann ist dies zumeist nicht auf staatliche, sondern auf private Initiative hin geschehen. Auch hier hätte man genauer werden können; mehr Informationen über und Würdigungen der vielfältigen lokalen Aktivitäten von meist jüngeren Bürgern, die sich als geschichtsbewusste und damit wirklich mündige Bürger erwiesen haben, hätten nicht geschadet.

Es gab und gibt eben nicht nur die eingangs erwähnten Eichingers und Knopps. Doch die 'Hobbyhistoriker' stehen nicht im Scheinwerferlicht. Und die "im Dunklen stehen, kennt man nicht". Daher wäre es lohnend, auch ihre Geschichte zu schreiben. Als Beweis und Beispiel, was "aufarbeiten der nationalsozialistischen Vergangenheit" ist und sein kann. Alles in allem: Der vorliegende Sammelband ist ein weiteres und insgesamt sehr gelungenes Beispiel über viele "Ort(e) des Terrors".


Titelbild

Wolfgang Benz / Barbara Distel (Hg.): Der Ort des Terrors. Band 2: Frühe Lager, Dachau, Emslandlager.
Verlag C.H.Beck, München 2005.
607 Seiten, 59,90 EUR.
ISBN-10: 3406529623

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