Robin Hood und Don Quichote

Michael Mandels Kampfschrift gegen den "Pax Pentagon"

Von Wolfgang WippermannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Wolfgang Wippermann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Autor dieses zunächst 2004 in London erschienenen Buches ist Rechtsprofessor an der York Universität in Toronto und im Vorstand der in Kanada gegründeten internationalen Organisation "Lawyers Against the War". Diese Anwälte kämpfen gegen den Krieg, wobei sie sich auf die Bestimmungen des erstmals im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess niedergelegten und zugleich angewandten Völkerrechts berufen.

Dies verdient Anerkennung. Obwohl oder weil sie mir dabei etwas wie moderne Robin Hoods vorkommen. Andererseits haben sie auch gewisse Ähnlichkeit mit Don Quichote. So etwa, wenn sie fest daran glauben, dass eine Verletzung des Völkerrechts immer und sofort vom 2002 ins Leben gerufenen Internationalen Strafgerichtshofs geahndet werden müsse.

Doch warum soll dies so sein? In der Geschichte war Recht immer das Recht des Stärkeren. Der Historiker kann daher über den naiven Optimismus Noam Chomskys nur den Kopf schütteln, der im Vorwort des Buches die Einhaltung des Völkerrechts mit folgenden Worten anmahnt: "Wenn die Bürger der reichen und mächtigsten Staaten daraus [= aus dem Völkerrecht] keine Lehren ziehen, wird das Schicksal der Welt jenen überlassen bleiben, die die Waffen und den Glauben haben, ihren Willen durchzusetzen".

War es jemals anders und wird es jemals anders sein? Ja, meinen Michael Mandel und seine Anwälte gegen den Krieg. Recht muss vor Macht kommen. Dies müsse auch die Macht einsehen, die dieses Prinzip nicht anerkennen will. Natürlich sind die USA gemeint, deren jetziger Präsident George W. Bush für Michael Mandel ungefähr das ist, was für Robin Hood der Sheriff von Nottingham war. Gegen Bush und die USA rennt Michael Mandel an. Aber nicht wie Don Quichote gegen die Windmühlen. Sondern mit harten Anklagen, sowohl gerechtfertigten Beschuldigungen als auch problematischen Verdächtigungen.

Er klagt die USA an, dem Internationalen Strafgerichtshof nicht beigetreten zu sein, und beschuldigt sie, verhindert zu haben, dass das "Verbrechen der Aggression" in seine Statuten aufgenommen worden ist. Daran knüpft er die Verdächtigung, dass dies bewusst geschehen sei. Um nämlich einen Angriffskrieg sowohl im Kosovo, wie in Afghanistan und im Irak zu führen, wobei es auch zu "Kriegsverbrechen" und selbst "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" gekommen sei. Diese Verdächtigungen scheinen mir problematisch zu sein.

"Warum", so fragt Michael Mandel ebenso verbittert wie polemisch weiter, "klagen die internationalen Kriegsverbrechertribunale niemals die USA und deren Verbündete wegen dieser Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit an?" Zumal sie dies gegenüber "Amerikas Gegnern" getan haben und auch weiterhin tun. Gemeint sind die Verfahren des "Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien" und der "Internationale Strafgerichtshof für Ruanda".

Beide Verfahren werden von Michael Mandel scharf kritisiert, wobei im Zusammenhang mit dem Prozess gegen Milosevic das Wort von der "Siegerjustiz" fällt. Dies scheint zu scharf und auf jeden Fall etwas voreilig zu sein, denn dieser Prozess ist ja noch keineswegs zu Ende. Außerdem, und hier bin ich etwas optimistischer als Michael Mandel und die sonstigen "Anwälte gegen den Krieg", ist hier ein Anfang gemacht für die Umsetzung und Anwendung der Prinzipien von Nürnberg. Und dies ist nicht wenig.

Daher kann ich mich auch dem sehr harschen Urteil von Michael Mandel nicht anschließen, wonach die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse nur eine "einprozentige Lösung" gewesen und "effektiv darauf hinaus" gelaufen seien, "Nazis ungestraft davonkommen zu lassen, statt sie zu bestrafen". Nein, Nürnberg hat das Rechts- bzw. Unrechtsbewusstsein der Völker, auch des deutschen, sehr wohl gestärkt und hat neben den für Deutschland sehr hoch einzuschätzenden mentalen nun auch rechtliche Folgen für die gesamte Welt. Dies auch dann, wenn Michael Mandel mit seiner teilweise doch sehr polemischen und keineswegs sine ira et studio geschriebenen Studie über die neuen Kriegsverbrecherprozesse Recht hat.

Einige Dinge waren und sind wirklich als skandalös anzusehen, doch eine einzige chronique scandaleuse war es auch nicht, zumal das Ende noch nicht abzusehen ist. Ein Anfang ist gemacht. Macht wird nicht immer vor Recht gehen. Auch die USA werden (und haben bereits) Schwierigkeiten, "der Welt den Krieg als Frieden (zu) verkaufen". Dies auch deshalb, weil es Bücher wie dieses gibt, das Amerikafreunden zu denken geben sollte (Amerikafeinde werden es sowieso begeistert lesen) und das schon fast geeignet ist, notorische Pessimisten und historische Skeptiker wie mich davon zu überzeugen, dass es vielleicht doch einen Fortschritt gibt. Auf jeden Fall gibt es nicht nur "Richter in diesem Land", sondern "Anwälte für den Frieden" auf der ganzen Welt.


Titelbild

Michael Mandel: Pax Pentagon. Wie die USA der Welt den Krieg als Frieden verkaufen.
Übersetzt aus dem Englischen von Ulrike Bischoff.
Zweitausendeins, Frankfurt a. M. 2005.
441 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-10: 3861507153

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