Jüdischer Humor und grimmige Theologen

Peter L. Berger untersucht Geschichte und Spielarten der Komik

Von Ursula HomannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ursula Homann

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Peter L. Berger, Religionssoziologe an der Universität Boston, sieht im Wesen des Komischen eine wichtige menschliche Erfahrung und im Humor die Fähigkeit, etwas als komisch wahrzunehmen. Humor ist nach Berger universell und eine anthropologische und kulturelle Konstante. Doch historisch gesehen, sind Komik und Humor relativ. Denn was einzelne Menschen und Kulturen als komisch empfinden, ist nicht immer gleich, sondern wechselt mit den verschiedenen Zeiten und den unterschiedlichen Gesellschaften. Die Ausdrucksformen des Komischen weichen daher stark voneinander ab.

Berger beginnt seine ausgedehnten und facettenreichen Reflexionen über die Eigenart des Komischen mit einer aufschlußreichen historischen Abhandlung über die Entwicklung des komischen Ausdrucks und das Verständnis des Komischen von der Antike bis zur Modernen, in die er philosophische, physiologische, psychologische, sozialwissenschaftliche und insbesondere theologische Gesichtspunkte einbringt. Im zweiten Teil seiner Studie nimmt er verschiedene, vor allem literarische Ausdrucksweisen des Komischen unter die Lupe, und im dritten Teil befasst er sich mit dem Verhältnis der Theologie zum Humor und arbeitet die Nähe der Komik zur religiösen Sphäre bildlich heraus.

In Anlehnung an den französischen Philosophen Henri Bergson, der das Lachen als Schaum beschrieb, der sich auflöst, sobald man ihn festzuhalten versucht, betont auch der amerikanische Religionssoziologe den flüchtigen, fragilen Charakter des Komischen und vermeidet scharf eingrenzende Definitionen.

Die Erfahrung des Komischen ist laut Berger allgegenwärtig, und das Alltagsleben voll komischer Episoden. Sein Bereich ist weit gefächert: Obwohl das Lachen - der Verfasser bezieht sich in diesem Zusammenhang auf Michail Bachtin, der dem Lachen eine philosophische Bedeutung beimaß - eine Form der Wahrheit über die Welt im Ganzen, die Geschichte und den Menschen ist, haben sich nur wenige Philosophen die Mühe gemacht, ernsthaft über das Komische nachzudenken. Dabei beginnt die Geschichte der westlichen Philosophie mit einem Witz, mit Thales' Fall in einen Brunnen, der von dem Gelächter einer Magd begleitet wird. Der Unfall des grübelnden Weisen, der gen Himmel schaut und in ein Loch fällt, zeigt den Philosophen als komische Figur. Für Berger ist Thales' grotesker Sturz eine Metapher für die menschliche Existenz schlechthin.

Bekanntlich kann die Komik der öffentlichen Ordnung gefährlich werden, nicht jedoch in ihrer gesellschaftlichen Konstruktion des Karnevals. Dieser ist zwar von aufrührerischem Wesen, doch gab es im Karneval kaum jemals die Absicht, weltliche oder geistliche Autoritäten zu stürzen, allenfalls wurden sie lächerlich gemacht. Auch der gutmütige Humor, oft äußert er sich als spontane Reaktion auf Widersprüchlichkeiten einer Alltagssituation, bedroht weder die soziale Ordnung noch die dominante Wirklichkeit des Alltagslebens. Dem Rezipienten schenkt er allerdings eine Erholung von seinen Sorgen, eine harmlose Ablenkung, von der er erfrischt zu den Geschäften des Lebens zurückkehrt. So entzieht er sich für eine Weile dem Diktat der Vernunft und weicht auf ein spezielles Terrain der Freiheit aus. Selbst kleinen Kindern ermöglicht die komische Erfahrung eine Erlösung von der Tyrannei des "Realitätsprinzips".

Komische Wahrnehmungen der Gesellschaft wiederum enthalten nicht selten brillante Erkenntnisse. Eine gute Karikatur oder ein guter Witz sagen mitunter mehr über die gesellschaftliche Realität aus als gelehrte sozialwissenschaftliche Abhandlungen. Zudem enthüllt die komische Perspektive Ungereimtheiten, die von der "ernsten" Haltung nicht wahrgenommen werden.

Berger untersucht die Komik in ihren unterschiedlichen Funktionen, zum Beispiel Komik als Trost, als Waffe, als Zerstreuung und als Spiel des Intellekts. Dem jüdischen Humor, der nicht nur in Amerika, sondern auch in Europa die Form des Witzes verfeinert hat, widmet der Autor ebenfalls ein eigenes Kapitel, angereichert mit vielen Beispielen und Anekdoten. In einem kurzen Intermezzo wird unter der Überschrift "Lachende Mönche" sogar der Humor in Ostasien behandelt.

Was aber sagt die Theologie zum Humor? Weshalb gelten Theologen als humorlos, obwohl doch eine tiefe Affinität des Komischen zur Religion und Magie besteht, obwohl das Komische, so Berger, eine Signatur des Transzendenten ist und die Erfahrung des Komischen Erlösung verspricht? In den heiligen Schriften und in der Theologie des Christentums fehlt offensichtlich der Humor. Wer die Bibel sowie die Geschichte der christlichen Theologie auf der Suche nach dem Komischen durchstreift, wird enttäuscht. Vom Gott des Alten Testaments hören wir zwar gelegentlich ein Gelächter, aber es ist ein Lachen der Verachtung für die Pläne der törichten Menschen. Im Neuen Testament schließt die Freude der Erlösten wohl das Lachen mit ein. Aber wie dem auch sei, die Suche nach dem komischen Lachen in der Bibel kommt nur um den Preis sehr bemühter Interpretation ans Ziel.

Berger erwähnt die lange Traditionsreihe grimmiger Theologen, die wiederholt das Lachen kritisiert und in ihm nur Weltlichkeit, sündhafte Dreistigkeit und mangelnden Glauben gesehen haben. Umberto Ecos Roman "Der Name der Rose" thematisiert diesen Aspekt. Christliche Heilige lachen ebenfalls selten. Betrachtet man indessen die christliche Verhaltenspraxis, dann sieht das Bild erheblich positiver aus. Im mittelalterlichen Europa beispielsweise blühte eine üppige komische Kultur. Ausgeprägten Sinn für Humor besaß Luther - man sehe sich nur einmal seinen Briefwechsel und seine Tischgespräche an. Beide sind von Humor durchtränkt. Kierkegaard sah im Humor die letzte essentielle Stufe vor dem Glauben, und Helmut Thielicke stellte gleichfalls eine intime Beziehung zwischen Humor und Glauben fest.

Und wie ist es mit Humor und Komik in der modernen Welt bestellt? Die Narrheit ist aus ihr ebensowenig verschwunden wie Religion oder Magie. Die illusionslose, allzu rationale Welt der Moderne schuf ihre eigenen Widersprüchlichkeiten. Sie bedarf des "modernen Humors" als Folge ihrer Entwicklung, als Ausdruck sowie als Reaktion dagegen. "Solange der moderne Mensch noch über sich lachen kann", schließt Berger, "wird seine Entfremdung von den Zaubergärten früherer Zeiten nicht vollständig sein. Die neue Wahrnehmung des Komischen mag die Achillesferse der Modernität sein und ihre mögliche Rettung."

Komik ist in erster Linie ein Spiel von Intellekt und Sprache. Berger betont es immer wieder und beweist gleichzeitig mit seiner kurzweiligen Studie, dass er sich auf dieses Spiel meisterhaft versteht. Mit einer variationsreichen Skala, die vom milden Witz bis zur beißenden Satire reicht, würzt er häufig seine Ausführungen, wohl wissend, dass ein paar Witze erheiternd sein können, eine Flut von Witzen dagegen, die ständig weiter erzählt werden, aufhören, "angenehm zu wirken."

Titelbild

Peter L. Berger: Erlösendes Lachen. Das komische in der menschlichen Grunderfahrung.
De Gruyter, Berlin 1998.
279 Seiten, 19,40 EUR.
ISBN-10: 3110155613

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