Fotos hinter Gittern

Zwei neue Bildbände wenden den Blick auf Frauen im Gefängnis

Von Maik SöhlerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Maik Söhler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Wie soll man das beschreiben, wenn man im Gefängnis tagein-tagaus über Jahre und Jahre immer nur dasselbe sieht, die gleichen Wege geht? Das reduziert den Blick, stumpft ihn ab, verödet die Sinne. Das Fotografieren macht den Blick wieder auf." Mit diesen Sätzen leitet Eva Haule ihren Fotoband "Porträts gefangener Frauen" ein.

Haule weiß, wovon sie spricht, denn sie ist seit fast 20 Jahren in Haft. 1984 schloss sie sich der Roten Armee Fraktion an, im August 1986 wurde sie verhaftet und wegen eines versuchten Anschlags auf eine NATO-Einrichtung in Bayern zunächst zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Acht Jahre später kam eine neue Anklage hinzu. Man beschuldigte sie, 1985 bei einem Anschlag auf die Frankfurter Rhein-Main Air Base beteiligt gewesen zu sein, bei dem ein US-amerikanischer Soldat erschossen wurde. Das Urteil lautete "lebenslänglich".

Frankfurt-Preungesheim

Die meiste Zeit hinter Gittern hat Haule im Frauengefängnis Frankfurt-Preungesheim verbracht, wo sie in mehreren Kursen auch das Fotografieren gelernt hat, davor war sie in Stammheim. Seit 2004 kann die inzwischen 51jährige als "Freigängerin" im Berliner Frauengefängnis eine Ausbildung am Forum "Fotografie am Schiffbauerdamm - Schule und Galerie" absolvieren. Sie hat ihre Bilder bereits mehrfach ausgestellt, u. a. in Berlin, Salzburg und Barcelona. Das Ende ihrer Haft ist jedoch noch nicht absehbar.

Die zwischen 1998 und 2003 entstandenen Schwarz-Weiß-Porträts ihrer Mitgefangenen zeichnen sich durch viel Sensibilität und eine große Nähe zwischen der Fotografin und den Fotografierten aus. 21 Frauen zeigen sich der Kamera, mal offen, mal abgewandt, mal lachend, mal nachdenklich und meistens unbekleidet. Nur eine der Frauen wurde außerhalb des Gefängnisses fotografiert: Lizza, eine schwarze Deutsche, ließ sich zwei Monate vor ihrem Tod von Eva Haule, die sie aus dem Knast kannte, zu Hause porträtieren. Den anderen, in Preungesheim entstandenen Bildern sieht man ihren Entstehungsort nicht an.

Wenn man so will, ist es optisch allein eine weiße Blüte, die die Porträtierten verbindet. Viele der Frauen halten sie an den Körper gedrückt. Eine andere Gemeinsamkeit betont Haule im Vorwort: "Die Vorstellung, Fotos öffentlich zu zeigen, auf denen Frauen zu sehen sind, die sonst,unsichtbar' sind, aus- und weggeschlossen, fanden alle gut."

Köln-Ossendorf

Ganz anders nähert sich der Düsseldorfer Künstler und Fotograf Hans-Peter Feldmann inhaftierten Frauen. Sein zusammen mit dem Kunsttherapeuten Klaus Heilmann herausgegebener Band "Frauen im Gefängnis" ist weitaus mehr als ein reines Fotobuch. Feldmann montiert in den Jahren 2004 und 2005 gesammelte Bilder, Grafiken, faksimilierte Briefe, Tagebucheinträge, Zeichnungen und amtliche Schreiben zu einer umfassenden Dokumentation der Frauenabteilung in der Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf.

1200 Haftplätze hat diese Anstalt und "etwa ein Viertel aller Inhaftierten sind Frauen", erfährt man beispielsweise aus einem Prospekt der JVA Köln. "Bei lebenslangen Freiheitsstrafen stehen 377 männlichen Strafgefangenen 18 weibliche gegenüber", heißt es ergänzend in einem Dokument des Justizministeriums NRW. Das gleiche Ministerium nennt auch Gründe für dieses Ungleichgewicht: "Die Schwierigkeiten und die Gefahr für den Zusammenhalt einer Familie" seien größer, "wenn die Frau eine Strafe antreten muss und der Mann in Freiheit bleibt als im umgekehrten Fall." Dennoch steigt seit 1990 die Anzahl verurteilter Frauen kontinuierlich an. Eine Vollzugsbedienstete meint dazu: "Frauen sind emanzipierter geworden und denken sich, was die Männer können, können wir auch."

Die Fotos dokumentieren - teils isoliert, teils in Bildserien - den Alltag im Gefängnis. Wir bekommen etwa Einblicke in die Tagesabläufe von gefangenen Frauen, sehen die Standardausstattung der Zellen, persönliche Einrichtungsgegenstände, die Duschen oder die Küche. Unkommentiert stehen harmlose Räume der Bücherei oder für den Gottesdienst neben so genannten Sonderzellen (die außerhalb der Verwaltungssprache wohl am treffendsten als Isolationszellen bezeichnet werden). Umfangreich wird auch die Welt der Gefangenenarbeit aufgezeigt. Für eine "Arbeit, die draußen keiner machen will", wie es eine Inhaftierte formuliert, können die Frauen zwischen sechs und 11 Euro pro Arbeitstag erhalten bzw. ansparen. Bargeld ist im Gefängnis verboten.

Menschen, keine Verbrecher

Manche Frauen sprechen im Buch von ihrer Angst, "in der als kalt und rau erlebten Welt des Gefängnisses unterzugehen", andere begreifen das "Gefängnis als Ort der Sicherheit". Die Bilder und Texte zeugen von Einsamkeit, Freundschaft, Liebe, Suizidversuchen und Drogen. Das Buch schließt passend und anschaulich mit einer Fotoserie zum Thema "Entlassung". Besonders auffällig aber ist, wie deutlich Vollzugsbedienstete immer wieder Verständnis für die Inhaftierten aufbringen und Gründe für die Delinquenz suchen. Sie sehen dort, wo die Boulevardpresse nur Verbrecher kennt, einfach nur Einzelschicksale und Menschen.

Das wiederum ist es, was bei allen sonstigen, zum Teil riesigen Unterschieden in der Herangehensweise die beiden Bücher einander so ähnlich macht. Und so schön.


Titelbild

Hans Peter Feldmann / Klaus Heilmannn: Frauen im Gefängnis.
Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2005.
243 Seiten, 29,80 EUR.
ISBN-10: 3883759627
ISBN-13: 9783883759623

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Eva Haule: Porträts gefangener Frauen.
AG SPAK Bücher, Neu-Ulm 2005.
88 Seiten, 19,00 EUR.
ISBN-10: 3930830655

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