Das Leben als Komödie

Hermann Beil liest Joachim Hoells Bernhard-Biografie

Von Martin GaiserRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Gaiser

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Am 9. Februar 2006 wäre Thomas Bernhard 75 Jahre alt geworden, am 12. Februar 2006 hat sich sein Todestag zum 17. Mal gejährt. Dies zum Anlass nehmend, hat das engagierte Wort-Label "tacheles!" in seiner neuen Reihe PORTRAIT ein zwei CDs umfassendes biografisches Hörbuch veröffentlicht. Grundlage für dieses Hörbuch ist die Biografie des Germanisten Joachim Hoell, der u. a. über Thomas Bernhard promoviert hat. In ca. 160 Minuten erfährt man erstaunlich viel über diesen so ungewöhnlichen und so unangepassten Schriftsteller.

Das beginnt mit den Eltern, geht über die sehr schwierige Kindheit ohne Vater, die armen und ärmlichsten Verhältnisse vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg, es wird die Vorbildfunktion des Großvaters thematisiert, der, ebenfalls Schriftsteller, seinen Enkel in Geistesdingen erziehen und schulen wollte.

Nachdem Bernhard eine lebensbedrohende Lungenkrankheit überstanden hat, nimmt er sein Leben selbst in die Hand. Er beginnt beim "Demokratischen Volksblatt" in Salzburg zu schreiben, vermittelt durch Carl Zuckmayer, und am Mozarteum zu studieren (Abschluss im Fach Regie). Danach geht alles Schlag auf Schlag, Bernhard veröffentlicht Gedichte und Prosa und 1963 den Roman "Frost", der ihn über Nacht bekannt macht. Von dieser Zeit an veröffentlicht er beinahe jedes Jahr einen langen Prosatext und ab 1970 jährlich ein Theaterstück. Er beginnt, mehrere abgelegene Grundstücke zu kaufen und vertieft sich in deren Restaurierung.

Thomas Bernhard arbeitet mit Claus Peymann, der 13 seiner 18 Stücke inszeniert, und mit dem Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld zusammen. Das Hörbuch zeigt all diese und viele andere Aspekte in Bernhards Leben. Joachim Hoell bleibt mit seinen Interpretationen des Bernhard'schen Werks eng an dessen Biografie und weist auf faszinierende Weise ein ums andere Mal nach, wo die jeweiligen Quellen für ein Stück oder einen Roman liegen. Mal ist es eine reale Person (wie z. B. der Komponist Lampersberg in "Holzfällen" oder der ehemalige Freund Karl Hennetmair), dann wieder ein historisches Ereignis (wie z. B. der "Anschluss" Österreichs an Nazideutschland in "Heldenplatz"). Breiten Raum nimmt die fünfbändige Autobiografie ein, in der die für Bernhard zentralen Themen - Kindheit, Krieg, Krankheit - literarisch verarbeitet werden.

Mit Hermann Beil wurde der ideale Sprecher für dieses Hörbuch gefunden. Beil, selbst Österreicher und Dramaturg unter anderem am Burgtheater in Wien, hat zwei Stücke Bernhards inszeniert und kennt somit dessen Werk hervorragend, er hat mehrere Bernhard-Texte gesprochen und wurde vom Autor in dem Dramolett "Claus Peymann und Hermann Beil auf der Sulzwiese" verewigt. Die österreichische Dialektfärbung passt perfekt zu dem mit vielen Zitaten versehenen Text, macht die dann und wann etwas akademisch wirkende Vorlage äußerst lebendig (die allerdings durch Hoells Kontakt zum wissenschaftlichen Bernhard-Nachlassverwalter Schmidt-Dengler mit bis dahin unveröffentlichtem Material brillieren kann), und Beils Betonung zeigt auch deutlich, dass Thomas Bernhard bei allem Hass und allen Tiraden, bei aller Unversöhnlichkeit auch unglaublich lustig sein konnte und seine Texte oftmals zwischen Hoffnungslosigkeit, Wahngelächter und Komik pendeln.

Das vorliegende Hörbuch eignet sich für Einsteiger und Weiterleser ebenso wie für Bernhard-Fans, denen so mancher Zusammenhang zwischen Leben und Werk so wohl noch nicht bekannt war.

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Joachim Hoell: Thomas Bernhard. Gelesen von Hermann Beil. 2CDs.
Roof Music, Bochum 2006.
158 Minuten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3938781106

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