Whisky schafft Unordnung

Joshua Sobol und sein zweiter Roman

Von Liliane StuderRSS-Newsfeed neuer Artikel von Liliane Studer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wie stellt man einen Roman vor, der bei der Lektüre einige Verwirrung stiftet und die Rezensentin eher ratlos zurücklässt? Es ist, als hätte man zu viel Whisky getrunken und könne die zahlreichen Handlungsstränge nicht mehr auseinander halten. Doch genug der Ausreden. Wagen wir den Versuch, diesem Roman, der durchaus seine faszinierenden Seiten hat und eine beunruhigende Spannung entwickelt, auf die Spur zu kommen. Im Mittelpunkt steht ein männlicher Held mit unterschiedlichen Namen, Chanina nennt er sich meist, was "Erbarmen" bedeutet, manchmal heißt er auch Shakespeare, Shylock, Nino - je nach Situation und Personen, in deren Umkreis er sich befindet. Aufgewachsen in den Hügeln bei Jerusalem, wurde er Soldat der israelischen Armee, dann Killer in staatlichem Auftrag. Er gehörte einer Sondereinheit des israelischen Geheimdienstes an, die weltweit Terroristen und Mörder liquidieren sollte. Doch das ist lange her.

Chanina lebt seit langem in New York als "Werbemagnat". Und da passiert es: Eines Tages, als er einen Termin wahrnehmen will, entdeckt er eine Person, die ihn an seine Vergangenheit erinnert. Zwei seiner Kameraden waren damals in der Libyschen Wüste getötet worden, und dieser Mann, dem er begegnet war, sah jenem Killer verdächtig ähnlich. Ein zweites Mal, 18 Jahre später also, nimmt Chanina die Verfolgung auf, und er schwört sich, dass er ihm ein zweites Mal nicht entgehen wird.

Damit beginnt eine wilde Verfolgungsjagd, und diesmal gelingt es Chanina, seinen Widersacher zu stellen. Er scheut keine Risiken, er setzt Beziehungen und Freundschaften aufs Spiel, denn für ihn gilt nur eins: sein Ziel endlich zu erreichen. Es sind diese Passagen des Romans, die überzeugen. In einem unglaublichen Tempo rast der Protagonist seinem Widersacher hinterher. Es kommt zu Begegnungen, die nur tödlich enden können - und es dann doch nicht tun. Der Roman entwickelt sich zu einem packenden Thriller. Daneben gibt es die leiseren Töne, etwa wenn bei Chanina die poetischen Seiten erwachen, er Shakespeare genannt wird, der Dichter, denn zum Poeten fühlt er sich eigentlich berufen. Und da ist aber auch noch der Mann, der zwar "(nichts) an sich hatte, was Menschen gerne lieben", der jedoch eine sehr überzeugende Wirkung auf Frauen haben musste.

Der Autor Joshua Sobol wurde 1939 in Tel Mond, Israel geboren, er lebte mehrere Jahre in einem Kibbuz, begann dort Literatur, Geschichte und Philosophie zu studieren und promovierte anschließend an der Sorbonne in Paris. Sein erstes Stück, "Les jours à venir", wurde 1971 in Haifa uraufgeführt. In seinen Theaterstücken - Sobol hat sich vor allem als Dramatiker einen Namen gemacht - geht er der schwierigen Beziehung zwischen Judentum, dem Staat Israel und dem Zionismus nach. Proteste blieben nicht aus, das Stück "Das Jerusalem-Syndrom" von 1988 führte dazu, dass Sobol von einem Knesset-Abgeordneten aufgerufen wurde, Selbstmord zu begehen. Sobol musste seine Tätigkeit als künstlerischer Leiter am Theater in Haifa aufgeben und ging mit seiner Familie nach London, er kehrte jedoch vier Jahre später wieder zurück.

Heute lehrt er unter anderem an der Universität in Tel Aviv. Erst 2001 trat Joshua Sobol mit einem Roman - "Schweigen" - an die Öffentlichkeit. 2005 folgte "Whisky ist auch in Ordnung". Über seinen neuesten Roman sagte Joshua Sobol in einem Interview in der "Neuen Zürcher Zeitung" (22.11.2005): "'Er liebte sich nicht, und niemand anders liebte ihn': Rund um diesen Kernsatz habe ich 'Whisky ist auch in Ordnung' gebaut. Eine Bastelidentität aus den unterschiedlichsten Materialien zu haben, sich nicht zurechtfinden und nach alten Werten zurechtbiegen zu können, ist in der heterogenen israelischen Gesellschaft eine Grunderfahrung wie, vermutlich, in allen westlichen Zivilisationen. Genau in dieser Verunsicherung hat der neue Fundamentalismus, gleichgültig welcher Provenienz, seine Wurzeln." Und so ist denn "Whisky ist auch in Ordnung" ein sehr politischer Roman, der den Holocaust ebenso thematisiert wie den Staat Israel.


Titelbild

Joshua Sobol: Whisky ist auch in Ordnung. Roman.
Übersetzt aus dem Hebräischen von Barbara Linner.
Luchterhand Literaturverlag, München 2005.
272 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3630872182

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