Kaleidoskopische Dialoge

Monika Marons "Wie ich ein Buch nicht schreiben kann und es trotzdem versuche"

Von Iulia DondoriciRSS-Newsfeed neuer Artikel von Iulia Dondorici

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wie der Leser bereits aus dem Klappentext erfährt, ist Monika Marons 2005 bei Fischer erschienenes Buch aus ihren Frankfurter Poetikvorlesungen entstanden. Wenn die daraus resultierenden Erwartungen an die Lektüre enttäuscht werden, so intensiviert der vorliegende Text aber in gleichem Maß den Spaß und die Neugier am Lesen. Denn ohne jegliche Spur von Didaktik lässt sich dieses Buch über das Schreiben eines Romans selbst mit der Spannung eines Romans lesen. Die Autorin liefert keine Vorschriften, auch keine lehrreichen Vorschläge für das Schreiben von Büchern, sondern sie erzählt von der konkreten Situation, in der sie mit ihrem neuen Roman, der als Fortsetzung ihres letzten Romans "Endmoränen" geplant war, nicht vorwärts kommt. Sie steckt in einer Schreibkrise und hofft darauf, sie durch das Verfassen dieses Textes zu überwinden. Also erzählt sie über das Experiment des Schreibens, über das Lesen, über ihre Reisen nach Mexiko und in die USA, über Liebe und Sehnsucht, über die menschliche Natur, über die Freiheit, über das Zusammenleben mit den selbst geschaffenen literarischen Figuren und darüber, wie diese Erfahrungen zu Büchern werden.

Der Text führt gleichermaßen einen Dialog mit sich selbst und mit den Lesern. Die unmittelbare Spannung der Oralität, die die Voraussetzung jeder Vorlesung ist, bleibt auch im Buch erhalten. Durch sie entsteht eine gewisse Nähe zwischen dem Leser und der Autorin, wie beim Lesen von Tagebüchern oder Memoiren. Die Gedankengänge sind klar und vom Leser leicht nachzuvollziehen. Was zunächst vielleicht paradox erscheint, wird einige Zeilen später erläutert. Die Autorin hinterfragt ständig die Richtigkeit ihrer eigenen Ideen. Über das eigene Schreiben zu schreiben wird von Monika Maron als "intim" empfunden. Sie fragt sich: "Warum ist es mir eigentlich zu intim, von meinen poetischen Vorstellungen, vom Gelingen und Mißlingen des Schreibens zu erzählen? Und warum habe ich solche Gefühle nicht, wenn ich in einem Roman erzähle, wie ein Mann und eine Frau miteinander im Bett liegen, zumal jeder annehmen wird, das ich dergleichen nicht aus der Beobachtung, sondern aus eigener Erfahrung beschreibe?" Und sie gibt zur Antwort: "Wenn ich über das Schreiben spreche, muß ich über mich sprechen; ich weiß nicht, wie und warum andere schreiben. Wenn ich einen Roman schreibe, spreche ich nicht über mich, auch nicht, wenn es so scheint. Die Versuchung, in dem erzählenden Ich eines Romans den Autor zu suchen oder gar zu erkennen, ist offenbar so groß, daß sogar die, die es besser wissen, davon nicht absehen können. Aber dieses Ich ist eine andere Person und nicht ich. Ich bin ihr verfügbares Material."

Über ihre Erfahrungen als Schriftstellerin schreibt Monika Maron nicht nur witzig und intelligent, sensibel und humorvoll, sondern auch mit großer Offenheit. Sie ist dabei oftmals selbstkritisch und distanziert gegenüber dem Prozess des Schreibens. Beim Lesen des Textes ist man ähnlich fasziniert wie beim Blick in ein die Wirklichkeit tausendfach zerspiegelndes Kaleidoskop: Romanentwürfe, Zitate, Fragmente mit essayistischem Charakter, tagebuchartige Notizen und Reiseliteratur mischen sich äußerst fantasievoll in einer bewusst gewählten heterogenen Struktur. Hintergrund dieser Technik ist der Nachweis der Untrennbarkeit von Schreiben und Leben. Beide gehen ineinander über. Das Leben verwandelt sich in Geschriebenes, das Schreiben ist eine Erfahrung, die der Autorin hilft, die Menschen und das Erlebte zu verstehen und in neue Erfahrungen einzubetten. Leben und Schreiben verschränken sich zu einem Ganzen: "Jedes der beiden Bücher hatte in mir einen eigenen Grund, eine eigene Frage. Im ersten wollte ich behaupten, daß geistige Freiheit nicht abhängt von ihren äußeren Bedingungen, was mir nicht gelungen ist. Nachdem ich meinem Buch in der Erkenntnis gefolgt war, daß die Freiheit eines Krüppels zwar auch Freiheit, aber eben die eines Krüppels, also eingeschränkte Freiheit ist, formulierte sich in mir allmählich die Frage: Warum bin ich dann noch hier? Hier war die DDR. Die Antwort darauf suchte ich in 'Stille Zeile sechs'. Etwa auf der Seite 50 ahnte ich die Antwort: weil auch ich, wie Rosalind Polkowski, meinen Feind nicht loslassen konnte. Ich wollte nicht verloren haben, obwohl ich, jedenfalls damals, längst verloren hatte."

Ihre Poetologie vermittelt Monika Maron implizit schon auf den ersten Seiten. Ausformuliert würde sie ungefähr so lauten: Um ein gutes Buch zu schreiben, ist nicht nur der Stoff wichtig. Auch die erzählerische Strategie, die Erzähltechnik, die Struktur und Konstruktion des Ganzen spielen eine ebenso große Rolle. Die Autorin demontiert gleichfalls bestehende Klischees über den Prozess literarischen Schreibens. Das Buch gibt einen umfassenden Einblick in Monika Marons "Werkstatt des Schreibens" und wird sich einmal als Fundgrube für eine zukünftige Biografie der Autorin erweisen.

"Wie ich ein Buch nicht schreiben kann und es trotzdem versuche" ist sicherlich nicht das Werk Monika Marons, das einem breiten Lesepublikum in Erinnerung bleiben wird. Dennoch lohnt sich eine Lektüre für alle diejenigen, die nicht nur nach Unterhaltung suchen, sondern auch etwas über die Härte des Schreibprozesses erfahren wollen, denn das Schreiben von Büchern bleibt ein immer wiederkehrender Versuch.


Titelbild

Monika Maron: Wie ich ein Buch nicht schreiben kann und es trotzdem versuche.
S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2005.
110 Seiten, 15,90 EUR.
ISBN-10: 3100488245

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