Fabelhaft sterben

Nationalsozialistische Propagandafilme von "Morgenrot" bis "Kolberg"

Von Kurt SchildeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Kurt Schilde

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Joseph Goebbels schreibt nach der Premiere des Films "Morgenrot" im Februar 1933 eine Kernaussage dieses U-Boot-Dramas aus dem Ersten Weltkrieg in sein Tagebuch: "Zu leben verstehen wir Deutschen vielleicht nicht; aber sterben, das können wir fabelhaft." Mit diesem noch in der Weimarer Republik entstandenen und zu Beginn der NS-Herrschaft uraufgeführten Spielfilm über Führerkult und Opferbereitschaft (Regie: Gustav Ucicky) umwirbt die Universum Film AG (Ufa) die neuen Machthaber: Adolf Hitler, seit 30. Januar Reichskanzler, sitzt mit seinen engsten Mitarbeitern bei der Premiere am 2. Februar 1933 im Berliner Ufa-Palast am Zoo in der ersten Reihe.

In der Geschichte der Spielfilmpropaganda im nationalsozialistischen Deutschland spielt "Hitlerjunge Quex" - ebenfalls eine Ufa-Produktion - eine herausragende Rolle: Der Titelheld - ein von kommunistischen Mördern erstochener Hitlerjunge - stirbt effektvoll, eingerahmt von den Leinwandidolen Heinrich George als Vater und Berta Drews als Mutter. Der Titel dieses vor der Machtübernahme spielenden Streifens wird in dem hier besprochenen großformatigen Bildband von Rolf Giesen und Manfred Hobsch zu Recht für den Buchtitel verwendet. Im Unterschied zu anderen parteifrommen und mit Holzhammermethoden arbeitenden Streifen der Aufbruchseuphorie über Horst Wessel - "SA-Mann Brand" und "Hans Westmar" - wird er ein Publikumserfolg. Er kommt auch im Ausland, bis nach New York, zum Einsatz.

Von den durch die "gleichgeschaltete" und verstaatlichte deutsche Filmindustrie zwischen 1933 und 1945 produzierten 1.150 abendfüllenden Spielfilmen haben Giesen und Hobsch ein Zehntel der direkten Propaganda zugerechnet. Sie stellen rund zweihundert Werke - nicht alles Spielfilme - in chronologischer Reihenfolge vor: darunter "Sieg des Glaubens", "Triumph des Willens" und "Olympia" von Leni Riefenstahl, den von Veit Harlan inszenierten antisemitischen Hetzfilm "Jud Süss" sowie den gleichfalls von diesem Regisseur stammenden Durchhaltefilm "Kolberg" und die 1945 nicht mehr fertiggestellten Lichtspiele "Das Leben geht weiter" und "Kamerad Hedwig".

Zum besseren Verständnis werden für jedes Jahr wichtige Ereignisse genannt und jeder Film mit seinen Produktionsdaten und kurzen Inhaltsangaben beschrieben, ergänzt durch Zitate einiger Protagonisten, Auszüge aus zeitgenössischen Rezensionen sowie einem erläuternden Kommentar. Zur Ergänzung werden im Anhang noch die Titel einer Auswahl von rund 170 Propagandakurzfilmen genannt.

Giesen - der 2003 bereits "Nazi Propaganda Films" veröffentlicht hat - und Hobsch haben einen gut lesbaren Bildband zum Filmschaffen im nationalsozialistischen Deutschland zusammengestellt. Leider enthält das voluminöse Werk kein Register der Filme und Personen, abgesehen von einem kleinen "Braunbuch" des NS-Films. Schade. Es hätte den Gebrauchswert erheblich verbessert.

Titelbild

Rolf Giesen / Manfred Hobsch: Hitlerjunge Quex, Jud Süss und Kolberg. Die Propagandafilme des Dritten Reiches. Dokumente und Materialien zum NS-Film.
Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2005.
501 Seiten, 49,90 EUR.
ISBN-10: 389602471X

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