Schlesier auf der Apenninenhalbinsel

Ein historisches Nachschlagewerk zu studentischen Einschreibungen in Italien

Von Mathis LeibetsederRSS-Newsfeed neuer Artikel von Mathis Leibetseder

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wissenschaftliche Arbeiten über Reisen zu Erziehungs- oder Ausbildungszwecken bilden fraglos ein Kerngebiet der gegenwärtigen Bemühungen um die Reise(literatur)forschung. Während hierzu mittlerweile zahlreiche Monografien und Sammelwerke vorliegen, fehlt es doch immer noch an einschlägigen Nachschlagewerken. Ein Lexikon wie das 1997 erschienene "Dictionary of British and Irish Travellers" (herausgegeben von John Ingamells) stand bislang völlig allein da.

Umso erfreulicher ist es, dass Claudia Zonta sich jüngst mit schlesischen Studenten an italienischen Universitäten befasst hat. Ausgewertet wurden hierzu rund 2.200 Immatrikulationen, die von 1.713 Studenten zwischen 1526 und 1740 vorgenommen wurden. (Diese Eckdaten leiten sich aus der Landesgeschichte her und bezeichnen den Zeitraum, in dem Schlesien habsburgisches Kronland war.) Der Kreis der berücksichtigten Universitäten umfasst die Hochschulen in Padua, Bologna, Siena, Perugia und Rom sowie das Collegium Nobilium in Parma und das Collegium Germanicum in Rom. Zu Vergleichszwecken und um die europäische Dimension dieser Studienreisen anzudeuten, wurden außerdem die Universitäten Straßburg und Leiden herangezogen, was aufgrund der großen Bedeutung dieser beiden Bildungsstätten naheliegt.

Das vornehmste Ziel der Studie besteht in der Recherche von biografischen Daten zu den einzelnen Studenten. Als Quellengrundlage dienen nicht nur edierte Universitätsmatrikel, sondern auch archivalische Quellen von Prokuratoren- und Konsiliarenlisten bis hin zu Prüfungsunterlagen und Promotionsprotokollen - eine breite Grundlage also, die selbstverständlich dennoch überlieferungsgeschichtlich begründete Lücken aufweist. Ferner baut die Autorin auf einer im Archiv des Max-Planck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte erhaltenen Kartei auf, in der biografische Angaben zu zahlreichen schlesischen Studenten verzeichnet sind.

Die ermittelten Daten wurden in Biogrammen niedergelegt, die das Herz der Arbeit bilden. Diesen Biogrammen unterliegt kein feststehendes Formular, was aufgrund der extrem unterschiedlichen Informationsdichte verziehen werden kann. So stehen neben ganz kurzen Einträgen, die nur den Ort der Einschreibung, den Namen des Studenten sowie das Datum seiner Immatrikulation vermerken, regelrechte Kurzbiografien, die eine halbe Seite oder mehr füllen. Bei jedem Biogramm befindet sich ein Nachweis der ausgewerteten Primär- und Sekundärquellen.

Bedauert werden muss indes, dass versäumt wurde, an prominenter Stelle auf die Kriterien einzugehen, nach denen die Biogramme verfasst wurden. Immerhin scheint es so, als ob in den meisten Fällen der Quelleintrag, der sich auf die Person selbst bezieht, im Wortlaut wiedergegeben wird. Auch scheint darauf geachtet worden zu sein, den Zusammenhang, in dem der einzelne Student innerhalb der Matrikel auftaucht, nicht zu zerreißen; so weist die Verfasserin in zahlreichen Biogrammen beispielsweise auf Mitreisende hin. An anderen Stellen hat sie sich allerdings zu sehr darauf verlassen, dass die Angaben für sich sprechen. Dass sich der Eintrag zu Nr. 755 "Padua: Joachimus a Lautterbach Silesius 12. April 1564" tatsächlich auf die Immatrikulation und nicht auf ein anderes Ereignis, wie z. B. eine Promotion, bezieht, kann streng genommen erst über den Literaturnachweis, d. h. nach umständlichem Blättern angenommen werden.

Den Biogrammen vorangestellt ist ein Textteil, der zugleich Auswertung und Kontextualisierung verbindet. Rund die Hälfte dieses Teils beschäftigt sich mit verschiedenen europäischen - also nicht nur italienischen - Universitäten, an denen schlesische Studenten in der Frühen Neuzeit anzutreffen waren. Im Vordergrund der Darstellung steht die zahlenmäßige Entwicklung der schlesischen Studenten in den einzelnen Universitätsstädten; darüber hinaus werden allerdings auch hilfreiche Angaben zur Studien- und Prüfungspraxis und den daraus erwachsenden Kosten gemacht.

Diesen Angaben steht eine Untersuchung der Konjunkturen des Studiums in Italien zur Seite. Aus Sicht der historischen Reiseforschung aber auch der Bildungsforschung ist darauf hinzuweisen, dass Zonta ihr Augenmerk in diesem Zusammenhang insbesondere auf das Problem der interuniversitären Mobilität legt. So kann sie nachweisen, dass sich rund drei Viertel aller Schlesier in Italien nur an einer Universität einschrieben und dass diese im Regelfall Padua oder Siena hieß. In einem eigenen Kapitel, das sich mit der "Reise nach Italien" befasst, führt Zonta weitere Motive an, die Schlesier auf die Apenninenhalbinsel führten. Am Schluss des ersten Teils der Arbeit steht eine Untersuchung der Karrieremuster, denen Juristen, Theologen und Medizinern nach dem Studium im Süden folgten.

Zontas Arbeit kommt als "prosopographische Studien zur frühneuzeitlichen Bildungsgeschichte" - so der Untertitel des Buches - daher. Tatsächlich bietet es sich von seiner ganzen Anlage her nicht so sehr zur Lektüre, als vielmehr zum Nachschlagen an. Die Biogramme führen eine Fülle von biografischen Daten auf, die aus ganz unterschiedlichen Primär- und Sekundärquellen stammen und entsprechende Recherchearbeiten in Zukunft wesentlich beschleunigen können. Dem darstellenden Teil können dagegen wertvolle Anhaltspunkte entnommen werden, die sich bei der Einordnung individueller Lebens- und Karrierewege als hilfreich erweisen mögen.


Titelbild

Claudia Zonta: Schlesische Studenten an italienischen Universitäten. Eine prosopographische Studie zur frühneuzeitlichen Bildungsgeschichte.
Böhlau Verlag, Köln 2004.
539 Seiten, 74,90 EUR.
ISBN-10: 3412124044

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