Viel Voodoo, wenig Spannung

Hans Werner Kettenbach enttäuscht mit "Zu Besuch bei Dr. Buzzard"

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das kann nun mal passieren. Aber wem es passiert, der leidet. Hans Schumann, Architekt aus Deutschland, ist auf einem Kongress in Savannah, Georgia, als Abgesandter eines renommierten Architekturbüros. Mit seiner Frau Charlotte und einem befreundeten Ehepaar, Roland und Lilly Hanebeck, wohnt er in einem Hotel. Und plötzlich ist seine Frau verschwunden. Und Roland auch.

Eigentlich eine klassische Geschichte, eine Ehegeschichte: Einer wird verlassen, verraten, betrogen, eine kehrt zurück, hat einen Irrtum begangen, bittet um Verzeihung. Grund genug, über das Leben, die Ehe, die Gefühle nachzudenken. Das aber macht Hans Schumann nicht. Das erste, was ihm einfällt, ist, dass die beiden entführt worden sind. Alle Hinweise auf eine freiwillige Abreise der beiden, dass das Gepäck mit verschwunden ist, dass keine Spur von Gewalt zu sehen ist, dass sie gesehen wurden, wie sie freiwillig und in guter Laune in ein Auto stiegen - alles wird von Hans tapfer verdrängt. Auch das Geständnis von Lilly Hanebeck, dass es nicht das erste Mal ist, dass ihr Mann mit einer anderen Frau verschwunden ist, hilft nicht besonders viel.

In Hans Werner Kettenbachs Roman "Zu Gast bei Dr. Buzzard" wird uns ein Mensch vorgeführt, der tapfer alles nur erdenkliche verdängt. Statt den doch recht brutalen Verlust seiner Frau als Anlass zu nehmen, zu überlegen, was denn los ist in seiner Ehe, oder vielleicht bei ihm, hängt er wilden Theorien nach. Von einem reichen Amerikaner hofiert, der ein riesiges Museum bauen will, unterbreitet er ihm Vorschläge für den neuen Bau. Mit Lilly Hanebeck lässt er sich ein wenig durch die Stadt und in die Fänge des Alkohols treiben, aber auch hier traut er sich gar nichts zu. Auch hier, statt die Gelegenheit zur Rache zu ergreifen oder die Chance zu einem neuen Leben, zuckt er immer wieder zurück. Überlegt stattdessen, ob sie ihm nicht vielleicht einen Liebeszauber gemixt und eingeflößt hat.

Kettenbach lässt in seinem neuesten Roman wieder vieles offen, er schildert seinen Protagonisten fast kaltblütig von außen, seine Überlegungen ohne jede Gefühlsregung, lässt ihn eiskalt in die vielen Psychomesser laufen, die er sich selbst gegen die Brust hält. Es hätte ein sehr spannendes Buch werden können, ein Psycholabyrinth, wie man es von Kettenbach kennt. Leider ist das ewige Hin und Her eher ermüdend, Lillys Gerede über Voodoo und dass sie gegen Mitternacht nicht schlafen kann und wie sie Hans auf die Pelle rückt und dann wieder distanzierter wird, dieses ganze Getue wird dem Leser schnell langweilig. Es passiert nichts Neues, es gibt keine neuen Wendungen, keine Entwicklungen, nur immer wieder dieselben Spekulationen, die schnell schal und blutleer werden. Man spürt genau, es brodelt da irgendwo, aber dieses spannende Irgendwo wird dann nirgendwo sichtbar. Und Sätze wie der folgende sind auch umständlicher und bürokratisch holpriger, als man es von Kettenbach kennt: "Er schüttelte, als könne er solche Unterstellung nicht fassen, den Kopf." Sehr viel umständlicher hätte man das kaum schreiben können.

Schade, eine vertane Gelegenheit, einen brillanten Psychothriller, einen geheimnisvollen Voodoo-Roman oder einen zu Herzen gehenden Eheroman zu schreiben. Nichts davon lesen wir bei Kettenbach.


Titelbild

Hans Werner Kettenbach: Zu Gast bei Dr. Buzzard.
Diogenes Verlag, Zürich 2006.
358 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3257065086

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