Eine Welt voller Verschwörungen

Jaime Bunda, ein tollpatschiger Aufklärer, stolpert über die Lösung seiner Fälle

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Bunda, Jaime Bunda" kann er sagen. Schon der Name dieses Aufklärers ist eine Hommage an und gleichzeitig eine Satire auf den großen Cocktailschüttler Bond, James Bond. Aber sonst: Bunda ist nicht hübsch, er ist nicht durchtrainiert, er dient nicht seiner Majestät und Q, er hat wahrscheinlich nicht einmal so ein schönes Brusthaartoupet wie James Bond / Sean Connery. Bunda ist fett, er liest gerne Kriminalromane, und er lebt in Angola. ("Bunda" heißt sowieso auf portugiesisch "dickes Hinterteil"...: Da weiß man schon in etwa, wie er aussieht.)

Der Fall, den dieser dicke Mann aufklären soll, der noch nicht einmal richtiger Geheimagent ist mit einer Nummer (007 oder 86), sondern erst Praktikant beim Geheimdienst SIG, der Fall scheint ganz einfach zu sein: Ein Mädchen wurde ermordet. Da Jaime der Cousin eines Mannes auf einer höheren Etage ist, bekommt er den Fall zugeteilt. Trotzdem nimmt niemand an, dass er ihn lösen wird. Niemand außer ihm: "Also gut, er würde unter Beweis stellen, dass seine Idole Spillane, Chandler und Stanley Gordon völlig Recht hatten und dass es kein vollkommenes Verbrechen gibt, höchstens unvollkommene Ermittler." Er gehört nicht zu dieser Kategorie, das weiß er genau.

Bisher gab es für ihn fast nichts zu tun: "Geduldig abwartend saß er im Büro auf immer demselben Stuhl und sah zu, wie die anderen Berichte über die Fälle schrieben, die sie lösten oder auch nicht; sie behaupteten zwar, dass sie sie lösten, doch auf den Straßen wimmelte es nur so vor Verbrechern, und die Subversiven konspirierten gegen das Regime, derweil er allmählich mit dem Gewicht seines Hintern den Stuhl ausbeulte. Während all der Monate, die er dort im Büro verbrachte, über zwanzig, hatte er sämtliche Fliegen zu unterscheiden gelernt, die zum Fenster herein- und wieder hinausflogen."

Jetzt also ein eigener Fall, wenn auch kein komplizierter, keine Weltvernichtungsverschwörung, kein Dr. No. Aber Jaime Bunda weiß von Anfang an, dass die Welt nicht so einfach ist, wie sie manchmal präsentiert wird, dass sie voller Hinterhalte steckt und voller Verschwörungen, dass hinter einem "einfachen Mord" manchmal eben doch "der große Fall" lauert. Deshalb weiß er auch: Hinter dem offensichtlichen, einfachen Mord stecken politische Machenschaften, ein Komplott. Und weil er so fest daran glaubt, findet Jaime Bunda auch bald Beweise dafür. Tatsächlich deckt er mit seiner unglaublichen Naivität und der entsprechenden Selbstgefälligkeit ein Netz aus Drogenhandel, Korruption und Intrigen auf, kriminelle Machenschaften, die von ganz oben ausgehen. Genau deshalb ist er ja auch engagiert worden: Weil niemand glaubte, dass er auch nur einen Fall der verbogenen Briefklammer aufklären könnte. Dass das alles mit dem Mord nichts mehr zu tun hat: Naja, das kann passieren.

Pepetela nennt sich der Autor dieses witzigen Kriminalromans aus dem schwarzen Afrika. Geboren wurde Artur Pestana dos Santos 1941 in der angolanischen Stadt Benguela. Er studierte im Ausland Soziologie, schloss sich danach der marxistischen MPLA an und kämpfte gegen Portugal. Nach der Unabhängigkeit wurde er stellvertretender Erziehungsminister. Nach 1982 lehrte er an der Universität Luanda und lebte zeitweilig in Europa. Sein berühmtester Roman ist "Mayombe": Eine Verarbeitung seiner Guerilla-Erfahrungen. Mit "Jaime Bunda, Geheimagent" hat er einen witzigen und gleichzeitig aufklärerischen Roman geschrieben, mit dem man einen düsteren und höchst amüsanten Einblick in eine schwarze Gesellschaft bekommt, die nach vielen politischen und wirtschaftlichen Krisen immer noch nicht zur Ruhe gekommen ist. Ganz flott führt er uns durch die verwickelte Handlung, die bis in den gefürchteten "Bunker", die Geheimdienstzentrale, zurückführt und kommentiert immer wieder genüsslich und voller Ironie das Land, in dem man "eher eine Kalaschnikow als einen rechtschaffenen Beamten findet". Brutal ist das Leben in Angola, die brutale Kolonialzeit wirkt immer noch nach. Schlägereien, Drogenmissbrauch, Mord: Das alles nimmt man im Roman ohne große Gefühlsregungen zur Kenntnis. Und dass alle korrupt sind, ist sowieso die Grundlage für das gesamte Leben. Da geht es Bunda noch vergleichsweise gut, weil er zu den Privilegierten gehört.

Aber an der Oberfläche ist der Krimi höchst vergnüglich zu lesen, wenn er auch im Verlauf etwas nachlässt. Denn was Bunda wirklich interessiert, ist vor allem Essen. Und gerne tritt er aus Versehen in irgendwelche Fettnäpfchen - beides kann er wirklich gut. Bunda ist ein Held nach unserem Herzen, etwas tollpatschig, etwas liebenswert, etwas pfiffig, etwas dumm: So ganz wie du und ich. Der Roman ist durchaus originell geschrieben, stets mischt sich der Erzähler ein und gibt ironische Kommentare ab über Angola, die Mächtigen und die Machtlosen. Und wie Bunda aus seiner Überzeugung heraus, dass der Fall und das Leben doch nicht so einfach sein können, wie er, vollgestopft mit Ideen und Theorien, die eine abstruser als die nächste, völlig planlos und doch mit einer zielgerichteten Energie und dem richtigen Riecher über die wahre Lösung des Falls stolpert, die dann wirklich nicht so einfach war, das ist schon, rein krimitechnisch, sehr gelungen.


Titelbild

Pepetela: Jaime Bunda, Geheimagent.
Übersetzt aus dem Portugiesischen von Barbara Mesquita.
Unionsverlag, Zürich 2006.
352 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-10: 329320354X

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