Gesteigerte Liebe in Briefen

Katja Behrens' Biografien deutscher Romantikerinnen

Von Ute EisingerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ute Eisinger

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dass sich die Erziehung der Frauen immer auf den Mann beziehen sollte, hatte - man hört es selten - der Wegbereiter der Aufklärung, Rousseau, gefordert: Aufgabe der Frau sei, dem Gatten zu gefallen, nützlich zu sein und sein Leben leicht und angenehm zu machen.

Dem Nützlichkeitsdenken folgte die gefühlvolle Verklärung: Die tatendurstigen jungen Männer, die die französische Revolution und den Aufstieg Napoleons mit großem Interesse, viele mit riskantem politischem Engagement, mitverfolgt hatten, erhoben als deutsche Romantiker das Ansehen der Frau nach mittelalterlichem Vorbild und verehrten Mütter und Herzensdamen als höhere Wesen.

Dass dieser goldene Käfig der Verklärung nicht ist, was sich Frauen wünschen, legt Katja Behrens am Beispiel der Biografien von Bettina Arnim-Brentano, Karoline Günderrode, Rahel Varnhagen-Levin, Caroline Schlegel-Schelling, Dorothea Veit-Schlegel und Sophie Mereau-Brentano dar. Diese Generation schreibender deutscher Dichter- und Philosophengattinnen und -geliebter, allesamt als bürgerliche Töchter oder Schwestern mit den besten Köpfen und in den liberalsten Haushalten ihrer Zeit groß geworden, war den Männern ihrer Herzen mehr Mitarbeiterin, Widerpart, Mentorin und Romanfigur, als ihnen Muse zu sein. Gerade deshalb hatten es diese Damen schwerer als die Lotten, Mariannen und Ulriken der Weimarer Klassik, die ihrer Angesungenheit nichts entgegen gebracht und als Unschulds-Idole zu Literatur erstarrt waren.

Vielmehr waren die Frauen der Romantiker geistige Nachfahrinnen der Frau von Stein und Sophies von La Roche - angeregt anregend und unermüdlich am Schreiben. Doch waren sie Töchter ihrer Zeit, der Revolution, die sie theoretisch auslebten und die manche als wilde Tage der Besatzung durch die Napoleonischen Truppen miterlebt hatten. Sie wollten mit ihren Denk- und Gesprächspartnern nicht nur in gescheiten Briefen verkehren, sondern forderten und leisteten körperlich Hingabe; wofür sie auf mannigfache Widerstände in den Konventionen stießen und letztlich nicht reüssieren konnten.

Manche lebten (zeitweise) mit ihren Geistes- und Liebespartnern in Wohngemeinschaften - wie in diskussionsdurchqualmten Räumen die Terroristinnen der 1970er Jahre. Wie die frühmittelalterlichen Klosterdichterinnen Hrosvit und Ava lebte die Günderrode als Stiftsdame, um dennoch, mit Denkpartnern korrespondierend, letztlich an der Liebe zu scheitern: Die radikale "Sappho der Romantik" rammte sich einen Dolch ins Herz. Ihre jüngere Freundin, die unartige Bettina Brentano, trieb es dagegen wie Pippi Langstrumpf, erkletterte Birnbäume und wurde wegen ihrer wenig schicklichen Umgangsformen nicht auf Gesellschaften eingeladen. Wie später Bozena Nemcova, Silvia Plath und Marlen Haushofer waren sie alle Opfer ihrer weiblichen Physis, der Bequemlichkeit oder Schwäche ihrer Männer und des niederschmetternden Gefühls, bei ihrer Selbstverwirklichung Rabenmütter zu sein.

Wenn auch von ihrem Partner zur Galionsfigur der neuen, geistig-körperlichen Liebe idealisiert, deren Manifest ihren Namen "Lucinde" trug - Dorothea Veit war nicht glücklich darüber, in wilder Ehe mit dem jungen Friedrich Schlegel leben zu müssen, unter dessen Namen ihre Übersetzungen, Aufsätze und Kritiken erscheinen. Wie die Berlinerin Rahel Varnhagen ist sie Jüdin, ihr Salon ein Zentrum deutschen Dichtens und Denkens, doch auf Grund ihrer Herkunft gelten beide Frauen in der Gesellschaft als zweitklassig.

Mit Marina Zvetaeva teilten viele Hausfrauen die Sorgen eines knappen Budgets und um das Wohl ihrer Kleinen: Damals starben Kinder über Nacht an Scharlach oder Röteln. Keine Mutter, die nicht eines oder mehrere Sprösslinge hat sterben sehen, ist unter den Beschriebenen.

Frauen, die gegen ihre Überzeugung heiraten mussten, weil sie schwanger waren, erlebten Fehlgeburten als Hohn des Schicksals und der Liebe. Schwangerschaftsabbruch gibt es in keiner der Biografien, wenn auch im Geheimen zur Welt gebrachte Kinder, die - wie noch vor hundert Jahren üblich - zu Pflegeeltern gegeben wurden. Die Romantik, wiewohl eine Epoche, in der man die Liebe zum Gegenstand der Sehnsucht wie der Theorie erhob, ist auch die Zeit Kaspar Hausers, um nur eine prominente Kindesweglegung - aus dynastischem Kalkül - zu nennen. Neben der offiziell gelebten Sittsamkeit kam es durchaus vor, dass untadelige Ehefrauen und Mütter sich in den wilden Tagen der Revolution in der Hitze eines Balls zu einem Schäferstündchen mit einem feschen Franzosenoffizier hinreißen ließen, das nicht ohne Folgen blieb.

Die Unterstützung ihrer Mütter und Großmütter hatten die jungen Damen nie, noch unter Zeitgenossinnen Verbündete. Mitwisserinnen wurden eher in Briefen beigezogen - wie die männlichen Korrespondenten kraft des Mediums mit erotisch aufgeladener Sprache; erst zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts sollten Künstlerinnen wie Hilda Doolittle und Gertrude Stein in weiblichen Lebensgemeinschaften ausleben, wozu es damals nur in schriftlichen Fantasien kam. Die Courage zur hosentragenden Cundrie hatte damals als Einzige die Französin George Sand. Dennoch war kaum eine unter den deutschen Romantikerinnen frei von Hohn und Häme beim Spotten über andere Frauen; auch sie zerrissen sich ihr kluges, bitteres Maul. Die meisten waren geistig oder wirtschaftlich potenter als ihre Partner, nämlich nicht nur Geliebte und Mitarbeiterin, sondern Mentorin oder Mäzenin eines viel jüngeren Mannes. Keine gewann gesellschaftliches oder künstlerisches Ansehen durch die Verbindung - doch alle zogen das gelebte Experiment mit der Freiheit und der Liebe den auf dem Papier kritisierten Konventionen vor - von denen die jeweiligen Männer sich vielfach nicht freimachen konnten.

Katja Behrens' Biografien sind leicht lesbar und dennoch, mit den passenden Briefen versehen, von fachlichem Wert. Auch Jugendliche finden hier einen guten Einstieg und Überblick in die Schicksale deutscher Romantikerinnen.

Nicht wenig verwirrt die Ambition der Verfasserin, den chronologischen Fluss jeweils durch Bezugnahmen auf andere in Vor- und Rückschauen aufzulockern, zumal die Protagonistinnen neben ihren Geburtsnamen die Familiennamen der wechselnden Ehepartner, Künstler- und Kosennamen hatten und allesamt miteinander versippt, verbandelt, verwandt oder verschwägert waren. Dies stellt die Autorin dann in einem Nachsatz auch übersichtlich dar - was allerdings die zusätzliche Zeittafel, worauf unsinnigerweise die Geburtsjahre der Beteiligten und ihrer Ehe- und Liebespartner im unübersichtlichen Layout aufgelistet werden, entbehrlich macht.


Titelbild

Katja Behrens: "Alles aus Liebe, sonst geht die Welt unter". Sechs Romantikerinnen und ihre Lebensgeschichte.
Beltz Verlagsgruppe, Weinheim 2006.
228 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-10: 3407809719

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