DON'T DO THIS!

Zwei Bände informieren über das Schreiben von Kritiken und Drehbüchern: Stephan Porombka weiß, wie Ersteres funktioniert, während Roland Zags "Publikumsvertrag" für die Filmwelt so belanglos bleiben dürfte, wie der Leitzordner-Titel klingt

Von Jan SüselbeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jan Süselbeck

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Ja: Das Schreiben von Kritiken ist lernbar", postuliert Stephan Porombka, Hildesheimer Juniorprofessor für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus, in seinem bei UTB erschienenen "Trainingsbuch". Eine mutige Prämisse, dürfte der Autor doch aus seiner täglichen Lehrpraxis wissen, wie stark die Bereitschaft selbst bei Studierenden der Materie abgenommen hat, sich der täglichen, weitgreifenden Lektüre von Zeitungen und Literatur aller Art zu unterziehen.

Kosmologische Journale - Die Methode Porombka

Und genau bei dieser Grundanforderung setzt Porombkas Buch an: "Kritiker sind Kosmologen", bläut er seiner Nachwuchszielgruppe ein und betont, literaturinteressierte Journalisten müssten sich permanent mit offenen Augen und Ohren durch die Kulturlandschaft bewegen, wollten sie es jemals zu etwas bringen im Blätterwald: "Vor allem müssen sie lesen wollen." Denn, wie es an einer späteren Stelle seines Bands heißt: "Wer sich wirklich für alles interessiert - und der Kritiker sollte sich erst einmal für alles interessieren, um den Zusammenhang von allem begreifen zu wollen -, muss sein Interesse eben auch auf die Techniken des Lesens und Schreibens von anderen richten, um zu verstehen, wie die anderen auf die Welt und sich selbst zugreifen."

In seinen oft geradezu ermahnend klingenden, kurzen Grundlagenerläuterungen kehrt Porombka damit zu basalen Kategorien kritischen Denkens zurück, die ältere Generationen noch für selbstverständlich gehalten haben mögen. Heute jedoch muss man offensichtlich weiter ausholen, um klar zu machen, was eine Rezension überhaupt ist, mit welcher Diskursbreite sie sich tunlichst auseinander zu setzen hat - und wer zum Beispiel ein gewisser Ahne namens Walter Benjamin ist.

"Auch Kritiker sollte man als nervöse Systeme verstehen", rät Porombka. "Kritiker sind, bevor sie überhaupt 'kritisieren', so etwas wie Aufnahmegeräte, Sammler, Mitschreiber, Protokollanten, Scangeräte, die genau aufnehmen, was sie sehen." Zu beobachten und in eigens angelegten Journalen permanent zu notieren, was die schreibenden Kollegen machen und diskutieren, sich erst einmal als lebende "Webcam" zum modernen Flaneur im Benjamin'schen Sinne zu machen und gleichermaßen knapp wie genau zu beschreiben, was man auf öffentlichen Plätzen sieht - das sind die praktischen Übungen, die Porombka von seinen lernwilligen Lesern verlangt.

"Scheint das alles zu weit weg von dem, was man sich gemeinhin unter der Tätigkeit eines Kritikers vorstellt? Soll man [...] aufschreiben, was passiert, um daraus Protokolle des Alltags zu machen?", fragt der Autor, und gibt gleich selbst die Antwort: "Ja, so ist es. Genau so. Denn das Anfertigen von Snapshots, von Webcams, also von Beobachtungsbildern und Szenerien, in denen auf interpretative Weise etwas zusammengefasst und pointiert wird, gehört zur Grundroutine des Kritikers". Und Porombka gibt notorischen Zweiflern zugleich noch mit zu bedenken: "Es gibt Kritiker, die brauchen kein Journal, die machen sich auch keine Notizen. Die arbeiten, wenn sie lesen und schreiben, ohne sichtbare Hilfestellung. Doch sind sie, insofern sie gute Texte anfertigen, einfach nur routiniert."

Porombkas Buch lässt sich in seiner mäandernden, immer wieder jedoch auf die gleichen zentralen Grundsätze zurückkommenden Argumentation übrigens auch gut kreuz und quer lesen, indem man die grau getönten Übungskästen im Textbild einfach ignoriert, gewissermaßen durch die verschiedenen thematisierten Problemfelder und Kapitel 'surft': Wer nichts üben wolle, könne das "Trainingsbuch entlang der erklärenden Passagen als eine allgemeine Einführung in die Kritik lesen", schlägt der Autor in seiner Einführung vor.

Gerade auch derjenige Leser, der zufällig selbst an der Universität das Schreiben von Kritiken lehrt, wird in Porombkas stets knapp und zupackend geschriebenen Anleitungen sofort erkennen, dass hier jemand aus der konkreten face-to-face-Lehrpraxis heraus begriffen hat, was junge Leute wissen wollen bzw. zu allererst erfahren müssen, um das Schreiben zu erlernen: "Anfänger sparen sich die genaue Auseinandersetzung mit ihrem Gegenstand und den kulturellen Kontexten, in denen er steht. Kurz gesagt: Sie haben keine Ahnung. Und sie glauben, dass man das nicht merkt. Aber so viel sei verraten: Meistens merkt man es", heißt es schon gleich zu Beginn von Porombkas Ausführungen mit entwaffender Deutlichkeit.

Wer nun meint, es sei verfehlt, seiner Leserzielgruppe gleich zu Beginn eines Buchs, das ihr nachhaltige Lerneffekte bescheren soll, erst einmal vor den Latz zu knallen, sie habe nichts kapiert, liegt falsch. Eine solche Kritik würde die gravierenden Schreibkompetenz-Probleme verkennen, die mittlerweile selbst an einschlägigen Universitätsinstituten bei den Studierenden feststellbar sind. Längst ist es nicht mehr selbstverständlich, dass NachwuchskritikerInnen, die sich etwa für ein Studium der Literaturwissenschaft oder des Kulturjournalismus eingeschrieben haben, gerne anspruchvolle Texte lesen oder dies überhaupt jemals aus eigenem Antrieb getan haben.

Genau dazu versucht Porombkas Buch jedoch von der ersten bis zur letzten Zeile zu erziehen. Das Nachbeten vorgestanzter Phrasen, das in typischen Anfängertexten in erschütternder Häufigkeit feststellbar ist und den Blick freigibt hinein in von schreibkreativen Gedanken noch weitgehend unbehelligte Köpfe, sagt Porombka gleich schon zu Beginn seines Buchs den fürsorglichen Kampf an. Er tut dies, indem er zunächst eine typische Laienkritik aus dem Internet analysiert, die mit dem Namen "liebelleee" gezeichnet ist. Auch hier fällt das Urteil einigermaßen hart und begrüßenswert deutlich aus: "Statt die Textchen auf den Seiten der Onlinebuchhandlungen zu lesen, sollte man sich vielleicht lieber die von Marcel Reich-Ranicki ausschneiden und sich über den Schreibtisch oder vielleicht sogar über das Bett hängen. Oder die von Siegfried Kracauer, von Alfred Kerr, von Kurt Tucholsky...Aber bloß nicht die von liebelleee."

In seinem einführenden Kapitel mit dem Titel "Was man nicht darf" lautet deshalb Porombkas gestrenger Merksatz Nummer 1: "Anfänger benutzen Leerformeln der Kritik, die sie sich aus Rezensionen gemerkt oder vom Literarischen Quartett abgelauscht haben. Sie 'spielen' sozusagen Kritiker, indem sie diese Formeln übernehmen, ohne sie aber wirklich für ihren Gegenstand verwenden zu können." Die Folgen sind bekannt: Vollkommen nichtssagende Texte, in denen kein Satz wirklich etwas mit dem vorangegangenen oder darauffolgenden zu tun hat, und die ihren Lesern mit Nullformulierungen wie "Ein spannendes Buch", "Fazit: Eine wertvolle, fesselnde Lektüre" oder gar "Fünf Sterne!! Lesen!!!" (liebelleee) die Geduld rauben.

Man sieht seinen Betonungen und Schwerpunktsetzungen an, dass Porombka essenzielle Voraussetzungen des Schreibens auch sich selbst aus der universitären Lehre heraus noch einmal ganz neu bewusst gemacht zu haben scheint - Routinen, die anderen erfahrenen Kritikern längst in Fleisch und Blut übergegangen sind und die sie wahrscheinlich kaum auf Anhieb vor einem Seminar so klipp und klar erklären könnten, wie es in diesem Buch tatsächlich geschieht.

Dass das konkrete Erzählen das Herz einer jeden gut geschriebenen Rezension sei, gefolgt von der Kontextualisierung und der Symptomatisierung des besprochenen Buchs oder des kommentierten Medienereignisses, das findet sich in diesem "Trainingsbuch" einfach um Längen besser erläutert als in vielen anderen Schreibschulen, die mittlerweile auf den Markt geworfen werden und gerne mit entnervender Umständlichkeit langweilen.

Immer wieder verweist Porombka außerdem auf verschiedenste zeitlose Inspirationsquellen von den Texten E. T. A. Hoffmanns über das "Passagen"-Werk Walter Benjamins bis hin zu gut ausgewählten Kritikenbeispielen aus den wichtigsten Tageszeitungen, um Einstiegs- und Ausstiegsvarianten von Besprechungen konkret zu demonstrieren - oder einfach zu zeigen, wie man mit ironischen Rollenspielen und witzigen Genrekontrastierungen punkten kann. Zu Anschauungszwecken zitiert Porombka etwa eine Kritik eines Berliner Konzerts der Bands Slipknot und Slayer mit dem schönen Titel "Geröchel von klassischer Strenge" (Von Harald Peters, "Berliner Zeitung") ebenso wie einen eher flapsigen Texteinstieg Gerrit Bartels' aus der "taz" - bis hin zu 'seriöser' klingenden Ansätzen Reich-Ranickis ("F.A.Z.") oder Hubert Winkels' ("DIE ZEIT"). Selbst die simplen, aber unstreitig äußerst effektiven Boulevard-Erzählformen der "BILD"-Zeitung werden von Porombka nüchtern analysiert und auf ihre Weise gewürdigt.

Oft gestellte Anfängerfragen wie die, ob man in einer Kritik nun eigentlich "Ich" schreiben dürfe oder wie man überhaupt einen guten Verriss anlegen solle, werden vom Autor stets unkonventionell und dennoch punktgenau beantwortet. Das Tüpfelchen auf dem "i" ist schließlich die kommentierte Bibliografie im Anhang. Sie zieht gerade deshalb die Aufmerksamkeit des Lesers auf sich, weil sie nicht den Forschungsstand zum Thema Kritik akribisch auflistet - sondern eher unkonventionell zusammengestellte Titel, die sich an den Maximen des Buchs orientieren oder auch auf Autoren verweisen, die zum kreativen und erfolgreichen Brechen so mancher Regeln anzustiften vermögen, die man gerade gelernt hat: Denn genau hier beginnt ja oft erst das wirkliche kulturjournalistische Schreiben, wie auch Porombka unterstreicht.

So findet sich etwa in der Literaturliste ein für Porombkas Lernziele auf den ersten Blick möglicherweise zu abseitig oder weitschweifig anmutendes Werk wie Klaus Theweleits "Buch der Könige" kommentiert, weil dieser Autor genau der Betonung Porombkas folgt, dass das Schreiben ohne permanente diskursive Kontextualisierungen gar nicht zu denken sei: "Theweleit sammelt Bilder aus Zeitungen, Zeitschriften, Comics, Kunstbänden, Biografien etc., um sie so assoziativ in seine Texte einzufügen, dass die spezifische Symptomatik der besprochenen Gegenstände geradezu emblematisch eingefangen wird", schreibt Porombka und betont damit auch noch einmal implizit seinen eigenen Ansatz: "[Theweleits] Bücher werden damit zu selbstreflexiven Kulturjournalen, die an der individuellen Auseinandersetzung immer das Große und Ganze fassen wollen."

Banales Regelwerk - Roland Zags Masterplan

Das "Große und Ganze" hat zweifelsohne auch eine Schreib-Strategie im Blick, die sich den hochtrabenden und unfreiwillig komischen Titel "the human factor" gibt. Roland Zag heißt der 'Erfinder' dieser Methode, die offenbar weniger zum Verfassen kluger Drehbücher anleiten als Produzenten zum nächsten sicheren Publikumserfolg verhelfen sollen. "Wer mit Film und Fernsehen zu tun hat, kennt das Dilemma", klagt Zag in seiner Einführung. "Man begegnet Drehbüchern, die trotz scheinbar bester Voraussetzungen ein 'irgendwie' unbefriedigendes Gefühl hinterlassen", fühlt sich der Autor empathisch in die engen Herzen jener TV-Macher ein, die einfach zu doof sind, dramaturgische Mängel klar zu benennen - bzw. im Sinn haben, jeden von der Norm abweichenden Kunstgedanken schnellstmöglich auf risikolose Schwundformen zu trimmen, zwecks Gewinnmaximierung.

Zags Buch richtet sich an "Dramaturgen, Story-Doctoren und Producer" zur "Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit ihrer Produkte", an "Produzenten und Redakteure", ja gar "Verleiher und Kinobesitzer", damit sie "wesentlich exaktere Prognosen erstellen" können. Dass auch Autoren mit Hilfe des Buchs "ihre Arbeit emotional effektiver gestalten" können, steht zwar an erster Stelle der Zielgruppenauflistung zu Beginn des Bands, dürfte aber tatsächlich vernachlässigbar sein - zumindest wenn man annimmt, dass werdende Drehbuchschreiber noch einen Funken subversiver Kreativität und von Erfindungsgeist im Kopf haben.

Zags Buch liest sich wie eine biedere Sparkassenwerbebroschüre zur klugen Kreditanlage - und genau so ist es wohl auch gemeint. Denn siehe da: Schon auf dem Waschzettel des Verlags wird der Rezensent stolz darüber informiert, ausgerechnet beim Kabelsender "Pro 7" sei "die Methode von Roland Zag (47) inzwischen zu einem wichtigen Bestandteil der Entwicklung von deutschen Fiction-Filmen geworden".

Ein fragwürdigerer Leumund wäre für kulturkritisch denkende Autoren im Sinne Porombkas wohl kaum vorstellbar - und entsprechend schal mutet denn auch die Lektüre von Zags banalen PR-Merksätzen aus der Rumpelkammer der Call-Center-Kundenpsychologie an, die der Autor laut Verlag sogar bereits "im voll besetzten Münchner Literaturhaus" vorgestellt haben soll: "Erfolgreiche Vertreter der Filmbranche lobten vor allem die Neuartigkeit und die praktische Bedeutung seiner Methode", heißt es hier.

Das glaubt man gern - und muss anscheinend befürchten, dass die Münchner Szene tatsächlich so blöde ist, wie man sie sich seit Helmut Dietls Kultserie "Kir Royal" (1986) immer schon vorgestellt hatte. Denn die Begeisterung, die ein renommiertes Literaturhaus mit Literaturinteressierten und Nachwuchs-Cineasten füllt, um sich dort so wenig 'neuartige' Thesen wie die anzuhören, erfolgreiche Kinogeschichten entsprächen der Bedienung jener typischen Emotionen, die "die inneren Saiten im Publikum zum Schwingen bringen", ist wohl kaum nachzuvollziehen.

Dass das Massenpublikum in Wirklichkeit immer nur das Allerdümmste zur Unterhaltung wolle, ahnen wir ja spätestens seit Thomas Bernhards Drama "Minetti" (1976) - aber dass sich Drehbuchschreiber nun auch noch nach diesen geistlosen Maßgaben richten sollen, um auch ja den nächsten Blockbuster à la "Titanic" zu landen, den Zag noch dazu andauernd zur Untermauerung seiner dramaturgischen Raffinessentips heranzieht, ist einfach nicht tolerierbar.

Man sollte stattdessen wirklich besser Bernhards Drama lesen und dabei fleißig das rhythmische Anti-Diktum "gegen das Publikum / gegen / gegen / gegen" memorieren, anstatt sich Zags "eigentliche[n] Gegenstand des Publikumsvertrags" zu Herzen zu nehmen, der da allen Ernstes besagt: "Das Publikum erwartet als Gegenleistung für seinen Vertrauensvorschuss Geschichten, die mehr oder weniger lösbare Probleme einer mehr oder weniger gelungenen Bewältigungsstrategie unterziehen." Alles klar. Der Künstler als braver Dienstleister? Unsinn, denn selbstverständlich sollte auch für den Drehbuch-Autor genau das gelten, was Bernhards "Minetti" postuliert: "je größer der Schauspieler / und je höher die Kunst des Schauspielers / desto heftiger ist das Publikum abgestoßen [...] / Der größte Feind des Schauspielers / ist sein Publikum / Wenn er das weiß / steigert er sich in seiner Kunst".

Kunst überhaupt sei zuerst einmal immer "zum Kotzen", sagte der große Dramatiker George Tabori einmal, und natürlich hat der ausgebildete Theaterwissenschaftler, Musikwissenschaftler und Philosoph Zag das alles auch schon irgendwo gehört. "Eine der wichtigsten Aufgaben der Kunst liegt in der Grenzüberschreitung", räumt er an einer hellsichtigen Stelle seines Buchs ein. Doch kann dies in Zags bloßer Kaufhausvertreterlogik immer nur dann wirklich funktionieren, wenn die Normabweichung genügend anheimelnden "Human Touch" behält, um zum finanziellen Erfolg zu führen: "Andererseits kann es sich die teure Filmindustrie nur selten leisten, reine Kunstfilme herzustellen - sie gehören dann letztlich auch eher ins Museum", verrät uns Zag deshalb am Ende abwinkend. So einfach ist das.

Doch es kommt noch doller. "Geschichten sollten den Prinzipien des menschlichen Zusammenlebens folgen", lautet eine von Zags mediokren Maximen, aus denen das gesamte, seltsam automatenhaft geschriebene Buch besteht: Wer hätte das gedacht! "Kontakt, Bindung und Loyalität gegenüber anderen sind die wichtigsten positiven Werte", und "Anmaßung, Trennung, Täuschung und Illoyalität sind die wichtigsten negativen Werte", stammelt der Autor gebetsmühlenhaft vor sich hin. Noch Fragen? Genau: Was da klingt, wie die konservativsten Zitate aus den hinterletzten Ecken des letzten familienpolitischen Wahlprogramms der CDU/CSU, ist in Zags kartoniertem Altpapiermüllfüller Legion.

Die innovative, gezielte Missachtung des "Publikumsvertrags" als heilsame und erfrischende Anthithese zur Ideologie der Kulturindustrie, also als der in "Minetti" so schön formulierte Versuch, dem "Stumpfsinn die Geisteskappe" aufzusetzen, oder auch als Peter Handkes "Publikumsbeschimpfung" bei der Gruppe 47 in Princeton (1966) - das alles kommt in Zags Buch höchstens noch als fermentierendes Spurenelement zur Erhöhung der Erfolgswahrscheinlichkeit in Betracht. Das avantgardistische Kino eines Jean-Luc Godard, Pier Paolo Pasolini oder auch eines Rainer Werner Fassbinder kann in dem Zusammenhang natürlich keine relevante Größe mehr sein. Und wenn ein rätselhafter Film wie David Lynchs "Mulholland Drive" (2001) dennoch zum Publikumserfolg wird, so beeilt sich Zag zu beteuern, seine normativen Regeln hätten hier dennoch im Geheimen Pate gestanden: die "emotionale Logik im Charakter der Protagonistin" Betty (Naomi Watts) dieses tatsächlich vollkommen schrägen Films bleibe "gewahrt", behauptet der Autor - und man fragt sich ernsthaft, ob er da nicht doch im falschen Film war.

Kein Zweifel: Roland Zag ist der Baby Schimmerlos der dramaturgischen TV-Ratgeber. Seine Schreibschule für zeitgeisthörige Managertypen, die geldgierig auf die Aufmerksamkeit des Massenpublikums schielen, sollte man besser gar nicht erst aufschlagen. Wer sich stattdessen wirklich für die Analyse der Emotionen im Kino interessiert, der gehe besser in die nächste Douglas-Sirk-Retrospektive oder lese die Habilitation Hermann Kappelhoffs. Da lernt man wirklich mehr.


Titelbild

Roland Zag: Der Publikumsvertrag. Emotionales Drehbuchschreiben mit "the human facor".
TR-Verlagsunion, München 2005.
203 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-10: 3805837011

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Stephan Porombka: Kritiken schreiben. Ein Trainingsbuch.
UTB für Wissenschaft, Stuttgart 2006.
270 Seiten,
ISBN-10: 3825227766

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