Geteiltes Leid und doppelte Freude

Lily Bretts Debütroman "Ein unmögliches Angebot" erscheint zum ersten Mal in deutscher Sprache

Von Petra PortoRSS-Newsfeed neuer Artikel von Petra Porto

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Zoe macht ihrer Freundin ein unmögliches Angebot: Soll sie Ruthie nicht einmal mit ihrem Liebhaber bekannt machen? "Wir könnten uns gegenseitig aushelfen. Ich komme her, um Aerobicstunden zu nehmen. Ich liege in deinem Garten in der Sonne. Hättest Du Lust, Abe Lipshitz mit mir zu teilen? Ich teile ihn sowieso schon mit seiner Ehefrau. Du bist zumindest meine Freundin, und ich könnte dir einen Gefallen tun."

Nach einigem Zögern nimmt Ruthie an und beginnt eine Affäre mit Abe, der sich prompt in sie verliebt und sie heiraten möchte. Doch Ruthie ist bereits mit Eddie verheiratet. Und Abe mit Dora. Dora hält die Gerüchte über Abes Seitensprung für Verleumdung und kocht ihm eine Gerstensuppe, während sie sich Gedanken über ihre Schwester macht. Doras Schwester, Golda, hat gerade Schwierigkeiten mit ihren Eltern, weil sie mit Rosa Cohen über ihren Umgang mit der Vergangenheit ihrer Eltern, die Holocaust-Überlebende sind, spricht.

Goldas Vater nennt seine Tochter dafür "die Verräterin in unserer Familie". "Es ist gut, wenn ein armes Kind wie du, das mit Essen in Hülle und Fülle aufgewachsen ist, die Gelegenheit bekommt, sein Leid zu klagen", meint er zynisch.

Alle schleppen alte Erinnerungen mit sich herum, die eigenen und die fremden. Besonders die Bürden der Kinder der Holocaust-Überlebenden werden thematisiert: "Manchmal fühle ich mich völlig erschöpft davon, all diese Lasten mitzuschleppen. Koffer voller toter Verwandter und Nazis", meint Rosa Cohen, die tatsächlich kistenweise Bücher über den Holocaust besitzt und sich unvollständig fühlt, wenn sie nicht zumindest die wichtigsten Werke bei sich hat.

"Ein unmögliches Angebot" spielt in einer jüdischen Gemeinde in Melbourne, wo jeder jeden kennt, jeder über jeden redet und jeder jeden beobachtet. Alle sind irgendwie miteinander verbunden - was sie einerseits als positiv, da absichernd und Halt gebend, andererseits allerdings auch als einschränkend empfinden. Wenn man das gesamte Gespinst aus Verwandtschaft, Bekanntschaft, Abhängigkeiten, Liebenswürdigkeiten und Vorwürfen aufdröseln wollte, müsste man Lily Bretts bereits 1991 in Australien erschienenen Debüt-Roman fast noch einmal erzählen.

Die Bestseller-Autorin versteht es, ihren Figuren Leben einzuhauchen und ihr Handeln plausibel darzustellen, ihnen eine Geschichte und eine psychologisch überzeugende Motivation zu geben. Alle haben ihre kleinen, sie sympathisch machenden Macken und Fehler, sind teilweise selbstsüchtig, dann jedoch wieder liebend bis zur Selbstaufgabe, sind oberflächlich, beweisen dann jedoch wieder erstaunliche Tiefe. Obgleich Brett die Konflikte ihrer Figuren offenbar nicht immer ganz ernst nimmt, stellt sie sie niemals bloß. Es scheint, als lache sie niemals über, sondern nur mit ihren Charakteren, erkennen diese doch am Ende immer selbst die Überzogenheit ihrer Anforderungen an sich, an andere und das Leben.

"Ein unmögliches Angebot" ist ein Roman über die Wichtigkeit von Bindungen, über den Wert von Freundschaft, die Notwendigkeit der Liebe und die Wesentlichkeit des persönlichen Rückhalt verschaffenden Zusammenhalts in der Gemeinde. Am Ende des Romans steht denn auch eine neue Hoffnung - die vor allem durch ein Baby repräsentiert wird, das die Familienbande noch mehr stärken wird. Und so könnte Ruthies Erkenntnis beinahe das Fazit des Romans sein: "War das nicht der Sinn des Lebens? Alle versuchten, so gut es ging, füreinander da zu sein. Das Leben war nicht vollkommen. Es war vielleicht nicht alles so, wie es sein sollte, aber alle bemühten sich, so gut es ging."


Titelbild

Lily Brett: Ein unmögliches Angebot. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Brigitte Heinrich und Melanie Walz.
Deuticke Verlag, Wien 2004.
329 Seiten, 22,90 EUR.
ISBN-10: 3216304485

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch