Übernationale Identitäten?

Europa im Wandel - Literatur, Werte und Europäische Identität

Von Heidi-Melanie MaierRSS-Newsfeed neuer Artikel von Heidi-Melanie Maier

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der vorliegende Band ist die Dokumentation einer internationalen Fachtagung der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Andrássy-Universität und der ELTE-Universität Budapest, die im März 2005 in Budapest stattfand. Nach Prag (2002) und Danzig (2004) war es bereits die dritte Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung mit diesem thematischen Schwerpunkt. Anlass dafür war die Erweiterung der Europäischen Union im Mai 2004 um zehn Staaten und deren Auswirkungen insbesondere auf die kulturellen und geistigen Grundlagen der Staatengemeinschaft. Urheber und Adressat der dabei drängenden Fragen ist immer wieder die Literatur: "Auf besondere Weise sind es die Schriftsteller, die dazu beitragen können, Verständnishürden und Vorurteilsstrukturen auf dem Weg zu einem friedlich geeinten Kontinent abzubauen und die so der Europäischen Identität ein Profil geben." Vor diesem Hintergrund untersucht der Sammelband die Identitätsbrüche, -aufbrüche und -gemeinsamkeiten europäischer Kulturräume, wie sie sich insbesondere in literarischen Zeugnissen niederschlagen. Annahme dabei: "Europäische Identität ist das, was die Erfahrung der Gemeinsamkeit und der Zusammengehörigkeit der europäischen Nachbarn wachsen lässt. Trotz unterschiedlicher Sprachen, trotz fast tausendjähriger Rivalitäten vermögen Literatur, Architektur, Musik und bildende Kunst eine kulturelle Identität zu stiften, die dem Kontinent eine Geschichte und eine Zukunft gibt."

Einem politischen Kapitel mit Beiträgen des Vorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung Bernhard Vogel und des ehemaligen Staatspräsidenten der Republik Ungarn Ferenc Mádl folgt ein zweites Kapitel mit den wissenschaftlichen Beiträgen des Symposiums. Es untergliedert sich wiederum in die Unterkapitel "Europa als Kontinent der Erinnerung: Holocaust, Kommunismus, Minderheiten", "Heimat, Nation, Europa" und "Wertorientierung in Religion, Kultur und Bildung". Danach folgen im Kapitel "Literarisch-politische Beiträge" bunt gemischte, in Länge und Textart völlig unterschiedliche Zeugnisse. Nach "Rückblick und Ausblick" folgen die bio-bibliographischen Angaben und "Bilddokumente" mit der Fotodokumentation der Tagung.

Konzentriert man sich auf die für dieses Forum wesentlichen Kapitel "Wissenschaftliche Beitrage" und "Literarisch-politische Beiträge", stellt man fest, dass das Spektrum der behandelten Themen durchaus repräsentativ und die Beiträger honorig sind. Was jedoch völlig fehlt ist die theoretische Herleitung und Einigung auf einen Identitätsbegriff. Von welcher Identität ist die Rede? Von den jeweiligen nationalen Identitäten - wobei auch geklärt werden müsste, wie bzw. ob eine solche sich konstituiert -, von einer übergreifenden europäischen Identität - wo finge eine solche an, wo hörte sie auf? - oder von beispielsweise regionalen oder subkulturellen Identitäten? Ein weites Feld! Leider beantwortet dieser Band diese Fragen nicht und verliert sich damit in der Beliebigkeit.


Titelbild

Michael Braun / Birgit Lermen / Lars Peter Schmidt / Klaus Weigelt (Hg.): Europa im Wandel. Literatur, Werte und Europäische Identität.
Herausgegeben von Michael Braun, Birgit Lermen, Lars Peter Schmidt und Klaus Weigelt.
Konrad-Adenauer-Stiftung e.V, St. Augustin 2005.
431 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 9639254002

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