Keine Versöhnung mit der Welt des Machbaren

Philip Roths kluger und scharfzüngiger Roman "Mein Mann, der Kommunist"

Von Oliver GeorgiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Oliver Georgi

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ira Ringold, genannt "Iron Rinn", ist ein Mann mit Überzeugung. Durch und durch Idealist mit kommunistischer Weltsicht, hat er sich vom Minenarbeiter und Weltkriegsveteran zum Radiostar und Abraham-Lincoln-Imitator gemausert, avancierte so zu einem der Publikumslieblinge der McCarthy-Ära. Rinn heiratet Eva Frame, eine einstige Hollywood-Größe, die ihn, der immer hin und hergerissen ist zwischen idealistischer Utopie und Akzeptanz bourgeoiser Verhältnisse, einführt in die elitären, exklusiven Kreise der New Yorker Gesellschaft. Die Ehe mit Eva wird für Rinn allerdings zunehmend zum Alptraum: Sylphid, Evas Tochter aus erster Ehe ist ein harfespielendes Ungeheuer und terrorisiert die Mutter und ihren neuen Mann. Eva nimmt eine fast unterwürfige Haltung zu ihrer Tochter ein. Ihrem Mann erscheint sie unerträglich unpolitisch, egoman und doch so unglaublich schwach. Dadurch entfremdet sie sich von ihm. Iron Rinn sieht seine Lebensaufgabe im Kampf gegen die Klassengesellschaft Amerikas und für den Kommunismus; dabei flieht er doch nur vor seiner eigenen Vergangenheit in eine Gegenwart, die er an keinem Punkt seines Lebens akzeptieren kann. Als McCarthys Jagd auf die "kommunistische Unterwanderung der amerikanischen Gesellschaft" auch vor Iron Rinn nicht mehr Halt macht und die Ehe zerbricht, schreibt Eva einen Enthüllungsbestseller über ihren Mann, in dem sie ihn als Kommunisten verleumdet, um sich selbst und die Karriere ihrer Tochter zu schützen. Rinn jedoch schlägt in einem unbändigen Befreiungsschlag zurück, setzt seine kommunistischen Beziehungen in Bewegung und denunziert seinerseits Eva Frame, bis schließlich beide ausgestoßene Vogelfreie der Gesellschaft sind.

Philip Roth läßt in seinem neuesten Roman kein gutes Haar an der amerikanischen Gesellschaft der McCarthy-Ära mit ihren Schauprozessen gegen den Kommunismus. Zynisch und sarkastisch zeichnet er ein bitterböses Bild der bigotten amerikanischen Gesellschaft der Nachkriegszeit, die nicht durch Idealismus, sondern vielmehr in hohem Maße durch Korruptheit und von Machtgestus bestimmter Politik geprägt war. Roth stellt detailreich und liebevoll die Entwicklung eines idealistischen, ungemein kämpferischen Mannes vor, der die Gesellschaft verändern will und gleichzeitig an ihr scheitert. Rinn scheitert nicht nur am Kommunismus, den er bis zum Schluß unterstützt, er scheitert vielmehr an seiner Frau, die er abgöttisch liebt, die ihn aber um der Karriere ihrer Tochter Willen verrät. Somit wird die Korrellierung der Handlungsebenen deutlich, die Roth perfekt beherrscht: auf der einen Seite die politische Ebene, die einen engagierten und starken Kommunisten Rinn in seinem Kampf für eine Veränderung der Gesellschaft zeichnet, auf der anderen Seite aber die des Privaten, in der der nach außen so starke "Iron Rinn" als Mensch mit zahlreichen Charakterschwächen enttarnt wird, als Mensch, der in früher Jugend einen Mord begangen hat und vor dieser düsteren Vergangenheit flieht. Bezeichnend ist, daß gerade seine Frau Eva Frame eine typische Vertreterin jener elitären Klasse der Gesellschaft ist, deren exponierte Stellung er so leidenschaftlich bekämpft. Roth zeigt so an seinem Protagonisten exemplarisch eine bedeutsame Problematik der McCarthy-Ära auf: ein Idealismus, der gegen die Gesellschaft kämpft, wird gerade dadurch zerstört, daß er die Gesellschaft als Handlungsraum benötigt. "Iron Rinn" bekämpft die Klassen- und Machtgesellschaft im Amerika der 40er und 50er Jahre, schlägt mit seinem Idealismus aber dadurch fehl, daß ihm die Verleumdung durch seine Frau die Handlungsmöglichkeit raubt, ihn aus der Gesellschaft ausschließt.

Roth überzeugt, ähnlich wie bei seinen vorangehenden Werken, durch seine Erzähltechnik und sein Sprachgefühl. Retrospektiv läßt er Iron Rinns Geschichte seinen Bruder Murray Ringold erzählen, der, 97jährig, seinem ehemaligen Schüler Nathan, in seiner Jugend selbst ein großer Anhänger Iron Rinns und dessen kommunistischen Idealen, von seinem Bruder berichtet. Somit entsteht nach und nach ein immer klarer werdendes Bild, ein Psychogramm des Lebens von Iron Rinn. Roth vermischt in seinem Text geschickt drei unterschiedliche Erzählperspektiven: die des auktorialen Erzählers, die des erzählenden Bruders, Murray Ringold, und die des ehemaligen Schülers Nathan, der sich bei Murrays Erzählungen ebenfalls an die damalige Zeit zurückerinnert. Insbesondere durch die Korrellierung der Perspektiven, diese verschachtelten Rückblenden, wird der Text so vielschichtig und detailreich und ermöglicht damit die größtmögliche Nähe zum Hauptprotagonisten Iron Rinn. So gelingt es Roth, einen höchst fragilen, von blindem Eifer besessenen Charakter in seiner kommunistischen Schwärmerei mit all den daraus resultierenden Problemen umfassend zu schildern. Trotzdem ist es nicht Roths Anliegen, eine Lanze für oder wider den Kommunismus zu brechen. Es geht ihm vielmehr um die Bestandsaufnahme einer Gesellschaft, um die Darstellung eines Mannes, der in einem bewegten System nach etwas Statischem, Unveränderlichem, Idealistisch-Absolutem sucht, und letztendlich an der Divergenz, an seinen eigenen Ansprüchen scheitert.

Philip Roth beweist mit "Mein Mann, der Kommunist" erneut seinen hohen literarischen Rang. Er zeigt nicht nur seine Fähigkeit, ein auf historischen Tatsachen basierendes politisches Buch zu schreiben, sondern verknüpft dies darüber hinaus mit der psychographischen Darstellung eines exemplarischen linken Lebenslaufes. Roth versöhnt den Leser nicht mit der Welt des Machbaren, schafft keine Kongruenz zwischen Realität und Möglichkeit, deckt vielmehr schonungslos Dummheit, Verleumdung, machtpolitisch motivierte Kommunistenhetze und die selbstzerstörerische Gesellschaft in einer der schwärzesten Epochen des modernen Amerika auf; einer Epoche, die in einem Land, das so stolz ist auf seine liberalen, freiheitlichen Werte, noch immer gerne verschwiegen wird. In diesem hervorragenden Werk zeigt sich Roths künstlerische Klasse sowohl als politischer Autor als auch als Meister der psychologischen Literatur.

Titelbild

Philip Roth: Mein Mann, der Kommunist. Roman. Aus d. Amerikan. v. Werner Schmitz.
Carl Hanser Verlag, München 1999.
376 Seiten, 23,00 EUR.
ISBN-10: 3446197850

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