Literaturkritik

 

Marcel Reich-Ranickis

Zehn Gebote für Literaturkritiker

Du sollst nichts Wichtigeres haben neben dir
als die Kritik.

Du sollst keinem anderen dienen
als der Literatur und ihren Lesern.

Du sollst keinen Dichter anbeten und
keinem gefällig sein.

Du sollst nicht langweilen.

Du sollst deiner Lust oder Unlust beim Lesen gehorchen
und die Gründe für sie finden.

Du sollst Mut haben,
dich deiner eigenen Urteilskraft zu bedienen,
entschieden zu loben oder zu tadeln
und in deiner Entscheidung zu fehlen,
sollst Übertreibungen nicht meiden,
Provokationen nicht scheuen und Feinde nicht fürchten.

Du sollst nicht unklares Zeugnis ablegen
über ein Buch.

Du sollst das Verständnis für Literatur
und das Vergnügen an ihr befördern.

Du sollst die Namen großer Dichter nicht mißbrauchen,
indem du kleine mit ihnen vergleichst.

Du sollst nicht begehren,
selbst zu dichten.

Aufgezeichnet zum 2. Juni 2003 von Thomas Anz

© T. Anz & Deutscher Taschenbuch Verlag

 

 

 

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