Zwischen Euphorie und Unbedeutsamkeit

Für manche PR-Experten sind sie das nächste große Marketingding, für manche Online-Händler ein Content-Management-Problem und für viele Nutzer Neuland: Was von Buchtrailern zu halten ist

Von Marcel Levermann und Simon KramerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Marcel Levermann und Simon Kramer

„Es gibt diese Begeisterung für YouTube und Filme aller Art“, weiß der eine. „Werbeclips für Bücher sind bald so relevant wie Werbeclips für Filme“, prophezeit ein anderer. „Die Bilder, die beim Lesen im Kopf entstehen, sollen nicht vorweggenommen werden, sondern einzelne Textstellen sollen animiert werden, um so das Buch spannend in Szene zu setzen“, empfiehlt ein dritter. Wenn die Buchtrailerproduzenten auf der Leipziger Buchmesse ihre begeisterten Statements liefern, kann man den Eindruck gewinnen, dass diese Videoclips für das Verlagsmarketing und für Buch-PR-Agenturen das nächste große Ding sind. Und für die Nutzer? Sind sie, noch zumindest, relativ irrelevant. Zumindest ist dies das Ergebnis einer kleinen Straßenumfrage: „Buchtrailer? Noch nie davon gehört.“ Auch nach einer Erklärung konnten die Wenigsten sich erinnern, schon mal einem begegnet zu sein.

Den Filmtrailern in der Werbung fürs Kino entsprechend, sind Buchtrailer Videoclips, die ein Buch bewerben oder darüber informieren sollen. Das Format wird sehr unterschiedlich ausgereizt. Wer im Internet einen Buchtrailer aufruft, fühlt sich erinnert an die berühmte Pralinenschachtel: Man weiß nie was man bekommt. Mal kommt der Autor zu Wort, mal werden Ausschnitte aus dem Buch oder Rezensionen gelesen oder eingeblendet, mal wird die Trailersequenz mit Flash animiert. Außerdem gibt es Trailer, die Ausschnitte aus dem entsprechenden Kinofilm einblenden oder selbst aus einem Minifilm mit realen Darstellern bestehen. Die Länge schwankt zwischen wenigen Sekunden und mehreren Minuten. Oftmals sind Buchtrailer auf den jeweiligen Produktseiten bei Online-Händlern wie Amazon, Bol oder Thalia eingebunden. Bol.de bietet sogar extra eine Übersicht der hier verfügbaren Buchtrailer an. Darüberhinaus lassen sie sich auch bei YouTube finden – und natürlich auf den Seiten der jeweiligen Verlage. Auch die von ihnen beauftragten Trailerproduzenten wie Litvideo und Literaturfilm haben eine Auswahl ihrer Arbeiten online gestellt.

Sind tausend Klicks schon ein Erfolg?

Ein solcher Produzent, Lars Koopmann von Litvideo, nennt Zahlen: Die Kosten für eine Buchtrailerproduktion mit Musik, deren Einsatz nicht gesondert honoriert werden muss, beziffert er ab 1.500 Euro für 30 Sekunden. Wie konkret sind die Vorstellungen der Verlage, wenn sie einen Buchtrailer in Auftrag geben? Koopmann bleibt vage: „Für einige erhalten wir Briefings, bei anderen sind wir in der Produktion freier. Einige Verlage haben eine eher kreative Herangehensweise, bei anderen ist oberstes Ziel, mehr Bücher zu verkaufen“, erläutert er. Bei YouTube kommen die Trailer selten über 1.000 Klicks. Ob eine solche Resonanz ein Erfolg oder Misserfolg ist, wird von den Verlagen unterschiedlich bewertet. Es scheint aber grundsätzlich eine Herausforderung zu sein, Aufmerksamkeit für Buchtrailer auf YouTube zu erlangen, wie Koopmann bestätigt. Und es ist sicherlich eine Ehrensache, sein Werbefilmchen auch auf der größten Video-Plattform der Welt zu präsentieren.

Den Buchtrailer auch bei einem Online-Buchhändler zu zeigen, an aussichtsreicher Stelle noch dazu, wäre hingegen unmittelbar gut fürs Geschäft. Doch das Interesse der Online-Buchhändler ist mäßig. Bei libri.de zum Beispiel sind sie kaum zu finden. Produktmanagerin Kathrin Claußnitzer erläuterte uns den Grund: Buchtrailer würden nicht in großem Stil eingebunden, weil sie nicht direkt mit anderen Katalogdaten in die Content Management Systeme eingespeist werden und so „automatisch im System landen“, sondern manuell und einzeln hochgeladen werden müssen. Darum beschränke man sich „auf Titel, die auf libri.de und den Partnersites besonders beworben werden“. Mit anderen Worten: Der Aufwand, einen Trailer in die Produktseite einzubinden, scheint sich nicht im Verhältnis zu dem potentiellen Werbeerfolg zu rentieren – zumindest nicht aus Sicht des Buchhändlers.

Bauchlandung auf der kreativen Spielwiese

Dass Trailer ein Blickfang sein können, beweist der Clip zu dem Buch „Dinge geregelt kriegen ohne einen Funken Selbstdisziplin“ der Autoren Kathrin Passig und Sascha Lobo, für den der Rowohlt-Verlag und die Agentur IRead Media beim diesjährigen Wettbewerb des Art Director Clubs mit zwei Bronze-Awards bedacht wurden: in den Kategorien „Filme für Verkaufsförderung“ und „Design: Typografie“. In einer süffisant-amüsanten Flashanimation parodiert der Trailer die biblische Weltschöpfung Gottes in sechs Tagen, indem Gott selbst als disziplinlos charakterisiert wird. Statt den Inhalt explizit vorzustellen, spielt der Trailer humoristisch auf die Thematik des Buches an. Dabei wird auf epische Bilddarstellung verzichtet. Kreativ beschränkt man sich auf verschiedenartige Einblendungen von Satzbruchstücken, um die erzählte Story des Trailers visuell zu untermalen.

Dieser innovativ-gekonnte Umgang ist bei Buchtrailern leider nicht die Regel. Ein Gegenbeispiel bietet der Clip zu „Wolfsgier“ von Brigitte Melzer, einem Jugendroman aus dem Ueberreuter-Verlag, den Jan Kossdorff gedreht hat. Hier gibt ein Sprecher eine Passage des Buches zum Besten, begleitet von schnulzig-anbiedernder Popmusik. Dabei wird eine alltägliche Szene, flirtender Blickkontakt im Bus, von Laienschauspielern dargestellt, gegenüber denen der typische Angeklagte bei Barbara Salesch schon als Virtuose der Schauspielkunst gelten muss. Die Idee des Übereinandergreifens von Buchinhalt und Szene geht nicht auf, die Kamera wackelt, und der Trailer wirkt wie die Produktion eines Achtklässlerprojekts.

Auch wenn natürlich längst nicht alle Buchtrailer derart lächerlich wirken, erscheint fraglich, ob sich jemand aufgrund eines solchen Filmchens für den Kauf eines Buches entscheidet. Das hängt sicherlich mit der Hemdsärmeligkeit mancher Produktionen zusammen, mit dem fragwürdigen Versuch, einen Eindruck von einem Buch zu vermitteln, ohne der Phantasie des Lesers allzu weit vorzugreifen – und mit einem weiteren Problem, das der Buchtrailer nicht mit seinem populäreren Bruder, dem Kinotrailer, teilt: Dort wird ein Film mit den Mitteln des Films beworben, hier muss ein Medienwechsel, vom Text zum Bewegtbild, gelingen. Zwar können Buchtrailer durchaus Schwung und Bewegung auf die Websites von Verlagen und Buchhändlern bringen, die Begeisterung der eingangs zitierten Experten können wir allerdings nicht teilen. Aber Buchtrailer sind ja auch erst das nächste große Ding. Von Gegenwart war keine Rede.