Das folgenreiche Mordgeständnis

Quelleneditionen und Sekundärliteratur zur Deutung der Evolutionstheorie. Ein Nachtrag zum „Darwinjahr“ 2009 unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses von Schöpfung und Evolution, Religion und Wissenschaft

Von Josef BordatRSS-Newsfeed neuer Artikel von Josef Bordat

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Charles Darwin zeigt sich von seiner Erkenntnis geschockt: „Schließlich kamen Lichtschimmer, und ich bin fest überzeugt (ganz im Gegenteil zu der Ansicht, mit der ich begonnen habe), daß die Arten nicht (es ist wie einen Mord gestehen) unveränderlich sind. Ich glaube, das einfache Mittel entdeckt zu haben, durch das die Spezies so ausgezeichnet an verschiedene Zwecke angepaßt werden.“ Dies schreibt er am 11. Januar 1844 an seinen Freund Joseph Dalton Hooker. Sein epochales, wirkmächtiges Werk „The Origin of Species“, in dem er seine Evolutionstheorie entfaltet, erscheint fünfzehn Jahre später.

Darwins Evolutionstheorie gehört zu den wissenschaftlichen Theorien, die einerseits die Fachdisziplin verändert haben (Theodosius Dobzhanskys oft zitiertes Diktum „Nothing in biology makes sense except in the light of evolution.“ spricht diesbezüglich eine deutliche Sprache), anderseits Auswirkungen auf unser Weltbild und unser Selbstverständnis zeitigen. Dazu gehört im Fall der Evolutionstheorie auch die Art und Weise, wie wir forschen, so dass sich hier eine sich selbst verstärkende Tendenz zum evolutionären Paradigma einstellt, wie in zahlreichen Büchern zum Darwinjahr 2009 deutlich zu erkennen ist.

Zu Darwin sind in den letzten Jahren sowohl (kommentierte) Quelleneditionen neu herausgegeben worden, als auch (populär-)wissenschaftliche Interpretationen. Während die Quellen, vor allem die Briefedition von Frederick Burkhardt, uns einen bescheidenen, fast unsicheren, doch unermüdlich am Gegenstand seiner Forschung arbeitenden, sich dabei der Grenzen dieses Gegenstands sehr wohl bewussten Charles Darwin zeigen, geht die Sekundärliteratur „mit Darwin über Darwin hinaus“ – weit, sehr weit, manchmal auch zu weit.

Mit Darwin über Darwin hinaus

Es gibt großartige naturwissenschaftliche Theorien, die Menschen faszinieren – weit über den Kreis der mit ihr befassten Forscherinnen und Forscher hinaus. Die Evolutionstheorie gehört dazu. Die auf den Arbeiten Plancks, Heisenbergs, Schrödingers, Paulis und vielen anderen mehr gründende physikalische Quantentheorie ebenso. Diese Faszination verleitet dazu, den Erklärungsbereich der Theorie auszudehnen und mit ihrer Hilfe eine „Hochrechnung aufs Ganze“ (so Karl Eibl in seinem Eröffnungsvortrag zum Germanistentag 2007) vorzunehmen. So verständlich das ist, zumal, wenn man sich lange – oft ein Leben lang – mit einer bestimmten Theorie beschäftigt hat: In der Verallgemeinerung der eigenen Heuristik, der zugleich ein brachialer Reduktionismus allen anderen Zugänge gegenüber eignet, liegt die Gefahr des weltanschaulichen oder politischen Missbrauchs der Wissenschaft. Zudem werden damit kategoriale Grenzen überschritten, ohne dass es für dieses Aus- und Übergreifen gute metaphysische Gründe gäbe. So kann man erfahren, mit Quantentheorie lasse sich die Existenz des Jenseits beweisen, die Quantenmechanik zeige, dass alles Geist sei! Der Glaube an ein Jenseits, der in vielen Religionen zentral ist, wird zum physikalischen Sachverhalt. Dann hört man, mit der Evolutionstheorie lasse sich das Gegenteil zeigen: Alles sei Materie! Religion wird zum biologischen Sachverhalt. Unabhängig davon, ob die eine oder andere Schlussfolgerung gut ins eigene Weltbild passt, sollte man – bei allem Respekt gegenüber Wissenschaftlern (oder den Popularisieren der Wissenschaft, den Wissenschaftsjournalisten und -autoren) – diesen Versuchen, Menschheitsfragen aus dem Fundus des jeweiligen Gebiets abschließend zu beantworten, ein gewisses Maß an Skepsis entgegenbringen, das proportional zunehmen sollte, je enger die Forschungsheuristik ist und je weitreichender die daraus entwickelten Behauptungen sind. Der diese Aufspreizungsbestrebungen gut erfassende Aphorismus Justus von Liebigs – „Die Wissenschaft fängt eigentlich erst da an, interessant zu werden, wo sie aufhört.“ – deutet auf das Problem: das „Interesse“ (durchaus im Sinne Habermas’) wird bestimmend und treibt zu immer gewagteren Schlüssen, die von der Erklärungskraft der Theorie nicht mehr getragen werden. Am Ende droht die Theorie selbst in ihrem Ansehen zu leiden, auch im Hinblick auf den eigentlichen Gegenstand.

Mit der Evolutionstheorie und deren weltanschaulichem und politischem Missbrauch ist dies geschehen, betrachtet man die Skepsis, die ihr auch als „naturwissenschaftlicher“ Theorie entgegengebracht wird, weil Menschen nur auf das Missbrauchspotential achten und in der Geschichte entdecken, dass in ihrem Windschatten Glaubensbestände mit wissenschaftlicher Seriosität zu unterfüttern versucht wurden, indem man zur Begründung von ideologischen Irrwegen wie dem Rassismus oder weltanschaulichen Positionen wie dem Atheismus – fälschlicherweise – auf Darwins Theorie Bezug nahm, um mit der Dignität der Wissenschaft zur Durchsetzung von „Interessen“ zu gelangen. Das hat eben diese Dignität nachhaltig beschädigt. Der amerikanische Wissenschaftshistoriker und -theoretiker Stanley L. Jaki ist deswegen der Meinung, es sei eine vorrangige Aufgabe, die Evolutionstheorie Darwins und ihre Weiterentwicklung in der Neodarwinistischen Theorie „zu befreien von dem, was in ihr nicht Wissenschaft ist“. Spekulative Folgerungen aus der Evolutionstheorie machen gerade das Gegenteil: sie reichern eine ateleologische wissenschaftliche Theorie mit Kategorien von Absicht, Zweck und Sinn an. Durch Überbeanspruchung ihrer Aussagen, die zu Monopolerklärungen aufgebauscht werden, stellen sie die Seriosität dieser Aussagen in Frage. Jede Theorie hat ihre Grenzen und gewinnt ihre Wissenschaftlichkeit gerade durch die Besonderung. Allgemeines steht zurecht im Verdacht, oberflächlich zu werden und durch wissenschaftliche Erkenntnisse nicht ausreichend belegt zu sein. Das wird im weiteren Verlauf der Besprechung zu erläutern sein.

Die Tendenz, man könnte auch „Mode“ sagen, Darwin als Universalerklärung für die Dinge dieser Welt einzuführen, ist jedoch weder neu noch beispiellos. Beispiellos ist sie nicht, weil auch andere Theorien (etwa die genannte Quantentheorie) weit über den Gegenstandsbereich der „Herkunftsdisziplin“ hinausdeuten, neu ist sie nicht, weil der Jesuit Teilhard de Chardin schon vor 60 Jahren vorgeschlagen hat, alles im Lichte der Evolution zu sehen, nicht nur die Natur, sondern auch die Kultur, allerdings in der Annahme, dass Gott den Entwicklungsprozess lenkt und „macht, dass sich die Dinge selber machen“. Das unterscheidet seine Idee von dem Ansatz vieler Evolutionisten heute, die im biologistischen Duktus eines ontologischen Naturalismus und einer wissenschaftlichen Weltanschauung (Szientismus) den Entwicklungsprozess als „gottlos“ deuten.

Religion und Wissenschaft, Schöpfung und Evolution

Die Diskrepanz zwischen theistischer und atheistischer Deutung der Evolutionstheorie markiert eine diskursive Sollbruchstelle. So basiert eine mögliche heuristische Folie zur Orientierung im Ozean der Neuerscheinungen zum Darwinjahr 2009 (und dessen Nachhall im vergangenen Jahr) und für einen ergiebigen Zugang zu den Texten auf deren Einordnung nach dem jeweiligen philosophischen Umgang mit der Ursprungsfrage angesichts der Evolutionstheorie, also der Bestimmung des Verhältnisses von Schöpfung und Evolution, im weiteren Sinne auch des Verhältnisses von Religion und Wissenschaft überhaupt. Diese Verhältnisbestimmung bildet den Schwerpunk der vorliegenden Besprechung.

Neben den Schriften, die Darwin rundweg oder in weiten Teilen ablehnen („Schöpfung statt Evolution“; dazu lagen mir keine Texte vor, lediglich Philip Kitchers Verteidigung Darwins gegen „Intelligent Design“ [ID], wobei ID-Theoretiker nicht die Entwicklung der Lebensformen an sich ablehnen [Mikroevolution], sondern nur die von Darwin erstmals formulierte Hypothese einer gemeinsamen Abstammung aller Lebewesen aus einer organischen Urform [Makroevolution]), gibt es Texte, die von der These ausgehen, Darwins Evolutionstheorie behandle die Ursprungsfrage erschöpfend (Evolution statt Schöpfung: 1. Richard Dawkins; hier richtet sich die Begründungsabsicht gegen Darwin-kritische Schöpfungsvorstellungen, die als „Kreationismus“ bekannt sind, ansonsten passt der Titel der deutschen Ausgabe nicht zum Inhalt, da es in dem Buch im Wesentlichen um eine popularisierende Erläuterung der biologischen Evolutionstheorie Darwins geht. Im englischen Original lautet der Titel des Buchs „The Greatest Show on Earth: The Evidence for Evolution“ – aber es ist dem Autor sicher nicht Unrecht getan, wenn der für die deutsche Ausgabe zuständige Ullstein Verlag unterstellt, aus der „Evidence for Evolution“ schließe Dawkins auf die „Impossibility of Creation“, da seine Vorstellung Gottes, gegen den er zu kämpfen sich berufen fühlt, durch Materialisierung und Weltimmanenz ähnlich beschränkt ist wie die des „Sechs-Tage-Kreationisten“. – 2. Thomas Junker/Sabine Paul; hier dient die Evolutionstheorie als Erklärungsansatz weit über die Ursprungsfrage hinaus: Die Autoren sind der Ansicht, nicht nur religiöse Weltauffassungen seien für Menschen, die intellektuell redlich leben möchten, obsolet, sondern auch jede nicht-biologistische Kulturbetrachtung, die Evolutionstheorie sei mithin der Dawkins’sche „Kran“, der die Welt explikatorisch aus den Angel zu heben befähigt, ohne sinnvolle Reste des Nichtverstehens zu hinterlassen. – 3. Kitcher; hier dient Religion nur der vorläufigen hilfsweisen Orientierung in sozialen Fragen, während der Glaube an das Übernatürliche bald vergehen werde.) und Texte, die vermitteln, das heißt, die – aus christlicher Perspektive – verdeutlichen, dass der Mensch auch vor dem Hintergrund des naturwissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts, den Darwins Evolutionstheorie bietet, substanziell auf die metaphysische Leistung der religiösen Sicht angewiesen bleibt und die den Glauben an Gott als Grund aller Dinge verteidigen, indem sie die von Darwin aufgespannte Erklärung, soweit sie für die Theologie, das Verständnis der Bibel oder die Praxis religiöser Riten relevant ist, mit vernünftigen Argumenten in ein holistisches Weltbild integrieren, in dem Wissen und Glauben gleichermaßen zu ihrem Recht kommen (Schöpfung mit Evolution; 1. Hans Kessler; hier wird ein Schöpfungsglaube vertreten, bei dem Schöpfung einerseits Voraussetzung von Evolution ist [schöpfungstheologisch: Evolution durch Schöpfung], andererseits manifestieren sich in der Evolution Wesen und Ausdruck von Schöpfung [prozesstheologisch: Schöpfung als Evolution]. – 2. Christian Kummer).

Daneben ist eine Reihe weiterer interessanter Bücher erschienen, die sich Darwin unter bestimmten philologischen Gesichtspunkten nähern (Philipp Sarasin), spezialwissenschaftlichen Fragen nachgehen (László Mérö) oder als Reaktion auf weltanschaulich geprägt Darwin-Deutungen deren Ansätze kritisieren (Michael Arnold); Nachschlagewerke (Philipp Sarasin/Marianne Sommer) ergänzen das umfangreiche Programm, das hinsichtlich der oben genannten Fragestellung zum Umgang der Autoren mit dem Verhältnis von Religion und Wissenschaft im Allgemeinen sowie Schöpfung und Evolution im Besonderen analysiert werden soll.

Klar ist bereits anhand einer flüchtigen Bestandsaufnahme der Titel, dass deren Autoren sich ausnahmslos den Begriff der Evolution als Universalinterpretament vorlegen und im Evolutionismus das neue Paradigma jeder Forschung erkennen, so dass Darwins Evolutionstheorie inter- und transdisziplinär aufgegriffen, besprochen und gedeutet wird und es dabei oft zu weitreichenden Folgerungen im Hinblick auf Kultur und Religion kommt, ohne dabei die Grenzen von Rekonstruktion und Spekulation immer sauber zu markieren. Die schleichende Überführung von wissenschaftlichen Erkenntnissen auf weltanschauliche Annahmen muss daher im Rahmen der Besprechung gesondert thematisiert werden. Vor dem Hintergrund und in Ergänzung zu dem, was der Verfasser im Rahmen des Darwinschwerpunkt 2009 dazu ausführte, soll der Diskurs- beziehungsweise. Inhaltsanalyse eine wissenschaftstheoretische Betrachtung vorangestellt werden, die von folgenden Leitfragen geprägt ist: Wie geschehen die Folgerungen, was liegt ihnen wissenschaftstheoretisch im Rücken? Welche Differenzen werden dabei überwunden und kann die Überwindung überzeugen? Welche kategorialen Grenzen werden überschritten und kann die Überschreitung überzeugen?

Wissenschaftstheoretische Zwischenbemerkungen

Die Differenz, die aufgehoben wird, ist die zwischen Verfügungs- und Orientierungswissen (Jürgen Mittelstraß), die kategorialen Grenzen, die gesprengt werden, markieren die Sphären von Methodik, Heuristik und Metaphysik. Der Naturalismus erscheint als Universalantwort auf Fragen der Methodologie, der Epistemologie und der Ontologie. Dazu einige Bemerkungen.

Moderne Naturwissenschaft ist zunächst qua definitionem ateleologisch, denn „Zwecke, Ziele, globale Intentionen in die Welt hineinzutragen, wird heute in der Naturwissenschaft als eine Überschreitung der kausal-mechanistischen Erklärungsstrategie gesehen“ (Bernulf Kanitscheider). Das Wort „Strategie“ deutet gleichwohl auf einen Meta-Zweck der wissenschaftlichen Methode selbst hin, nämlich erfolgreich zu forschen. Doch steht dieser Zweck außen, er unterwandert die Methodik nicht. Die Frage, die sich hier anschließt, lautet: Stellt es nicht ebenso eine Überschreitung der kausal-mechanistischen Erklärungsstrategie dar, aus der Wissenschaft Vermutungen über Zwecke, Ziele, globale Intentionen herauszutragen?

Innerhalb der Naturwissenschaft ist ein methodologischer Naturalismus eingedenk der Erkenntnisabsicht des Projekts „Wissenschaft“ und der Grenzen des Gegenstands „Natur“ berechtigt. Es besteht jedoch die Gefahr, dass sich Naturwissenschaft von ihrer berechtigten Selbstbeschreibung löst und die Grenzen in zwei Schritten unzulässig überschreitet: epistemologisch hin zur Hüterin einer exklusiv und universell gültigen Monopolmethodik, ontologisch hin zu einer ideologisch eingefärbten Weltschauung.

Methodeneinfalt führt zu einfältigen Ergebnissen

Die erste Schwierigkeit besteht im Übergang zum „epistemologischen Naturalismus“, der die empirische Methodik zum Paradigma von Wissenschaft insgesamt erhebt. Im Ergebnis entsteht für alles, was noch „wissenschaftlich“ sein will, eine einzige Methode zur Verfügung, an der jede Erfahrung, die nicht empirisch signifikant ist, abprallt, so dass jede Aussage, mit der auf Entitäten nichtempirischer Realerkenntnis referenziert wird, a priori als unerheblich gekennzeichnet ist.

Was berechtigt zu einer Diskursregel, die wissenschaftliches Arbeiten auf eine einzige Methode reduziert und den Begriff der Wissenschaft damit stark verkürzt? Ohne einem Methodenrelativismus das Wort zu reden, muss erkannt werden, dass angesichts unterschiedlicher Gegenstände auch verschiedene Methoden zur Anwendung kommen müssen. Was der Naturwissenschaft das „erklärende Experiment“ ist der Geisteswissenschaft die „verstehende Hermeneutik“. Doch die geistes- und kulturwissenschaftlichen, insbesondere auch die theologischen Zugänge sollen im Paradigma des Evolutionismus’ keine Bedeutung mehr haben, wenn es um das Verstehen des Ganzen geht, da mit dem naturwissenschaftlichen Erklären des Einzelnen keine Fragen mehr übrig bleiben, die es noch zu verstehen gäbe. Das ist eine sehr problematische Aporie und in der Inhaltanalyse wird deutlich werden, zu welch groben Missdeutungen ein Mangel an Gespür für kulturwissenschaftliche und theologische Zugänge verleiten kann.

Alles Bio oder was?

Fraglich ist mithin, ob diese Beschreibung reicht, Ursache und Zweck (also: Sinn) des Prozesses zu erfassen, also: ob die Evolutionstheorie nicht nur Erklärungs-, sondern auch Deutungswert besitzt, ob mit ihr Mensch und Welt nicht nur erklärt, sondern auch verstanden werden können. Sehr fraglich ist darüber hinaus, ob sie uns (als wissenschaftliche Theorie über Entwicklungsprozesse in der Natur) auf die Frage nach der Entstehung des Lebens (insbesondere des menschlichen Lebens) und dem Ursprung des Universums eine überzeugende Antwort geben kann. Wird mit Hinweis auf die Evolutionstheorie dennoch eine Antwort auf die Frage nach dem Ursprung gegeben, liegt eine Ausweitung von der „Verfügung“ auf den Bereich der „Orientierung“ vor, zu der die Ursprungsfrage ohne Zweifel gehört. Der methodologische und epistemologische Rahmen wird von diesem Naturalismus gesprengt. Weil es hierbei um die Erfassung des Ganzen gehen soll, also des Seienden und des Seins als Ursprung und Urgrund des Seienden, kann man hierbei von ontologischem Naturalismus sprechen.

Hier kommt nun die Evolution als Universalinterpretament ins Spiel: Wenn alles „Bio“ ist, also auch Kulturbereiche wie Politik, Wirtschaft, Ethik, Kunst und Religion, dann muss sich auch alles mit jener Theorie Darwins sinnvoll erklären lassen, welche die Evolution erklärt und damit der Biologie ihren Sinn gibt – drehe sich Charles im Grabe, so oft er wolle. Und er wollte wohl, wenn er denn könnte. Diese Weiterung ist – obgleich darwinistisch – höchst „undarwinisch“: Aus der Primärliteratur geht deutlich hervor, dass der bescheidene, ja fast unsichere Darwin mit einem derartig hohen Erklärungsanspruch, den einige seiner Epigonen mit der Evolutionstheorie verbinden, wohl kaum einverstanden gewesen wäre.

Der kulturwissenschaftliche Vorwurf, nicht klar zu markieren, bis wohin die geteilte Erkenntnis geht und ab wo die Spekulation beginnt, beinhaltet also ein grundsätzliches Unverständnis gegenüber dem synthetischen Erklärungs- und Deutungsansatz des ontologischen Naturalismus einer biologistischen Verwertung der Evolutionstheorie. Dass es zwischen „Erklären“ und „Verstehen“ einen Unterschied gibt, der nach methodologischer Differenzierung verlangt, ist danach Schnee von Wilhelm Dilthey. Ferner kennt heute kaum noch jemand diese Distinktion, so dass der Biologist mit dem Rückenwind Darwins getrost die Gewagtheit privater Spekulation mit der allgemein anerkannte Dignität der Wissenschaft adeln kann, solange er qua Kompetenz dafür sorgt, dass der Leserschaft die Ableitung jener aus dieser plausibel erscheint. Die von der Wissenschaft initiierte Vermutung über „letzte Dinge“ wird dann als solche nicht mehr für spekulativ, sondern für „wissenschaftlich“ gehalten. Und damit für „wahr“.

Warum das so erfolgreich läuft, liegt auf der Hand: In einem religionskritischen Umfeld suchen Menschen nach Ersatz für die Sinnstiftung; offenbar hat der Mensch eine unstillbare Sehnsucht nach Sinn. Wissenschaftler bieten hierzu an, die Lücken im „wissenschaftlichen Weltbild“ argumentativ zu schließen. Ihre Stellungnahmen, seien sie selbst wissenschaftlich oder nicht, sind mit einer großen Glaubwürdigkeit aufgeladen, die dem interessierten Laien die gewünschte weltanschauliche Rückversicherung gewährt. Durch die gezeigte „Inkompetenzkompensationskompetenz“ (Odo Marquardt) werden Szientisten, die selbst keine Wissenschaftler sind, in den erweiterten Kreis der wissenschaftlichen Elite aufgenommen und haben berechtigten Anteil am szientistischen Deutungsprogramm; „Ich bin modern/aufgeklärt/vernünftig/Szientist!“, begegnet einem in Diskussionen dann oftmals als Sachargument. Dass nur enorme Verkürzungen in Welt- und Menschenbild die einfachen Antworten einer zur Weltanschauung aufgespreizten Wissenschaft ermöglichen, bleibt verborgen, solange kein Interesse an einer methodologischen, epistemologischen und ontologischen Kritik besteht.

Wissenschaft und Szientismus

Im Programm einer wissenschaftlich begründeten nicht-metaphysischen Ontologie wird freilich übersehen, dass die moderne Naturwissenschaft im Zuge des Empirismusparadigmas Francis Bacons ja gerade auf eine eigenständige philosophische Metaphysik als Grundlage einer sinnvollen ontologischen Spekulation verzichtet – also auf Platons „Ideen“ und Kants „Ding an sich“, auf Aristoteles’ Unterscheidung von „Erst-“, „Wirk-“ und „Zielursache“, an der Thomas von Aquins natürliche Schöpfungstheologie, insbesondere der teleologische Gottesbeweis „Quinta via“, aber auch Leibniz’s Unterscheidung von „Finalität“ und „Kausalität“ beziehungsweise „Gnade“ und „Natur“ anschließt –, so dass sie über Ideen und Dinge, die nur und ausschließlich in diesem Rahmen verhandelt werden können – dazu gehören unter anderem alle Kernkonzepte der Religion – mit ihren Mitteln nichts Treffendes aussagen kann, da ihre Fragen dafür nicht weit genug ausgreifen. Wer „etsi Deus non datur“ forscht, kann nicht plötzlich aus dieser Forschung heraus Aussagen über „Deus“ machen.

Diese Beschränktheit ist kein Makel, sondern ein Konstitut der Naturwissenschaft, das bislang ihren großen Erfolg garantiert hat. Es wird dabei denn auch völlig übersehen, dass die moderne Naturwissenschaft überhaupt nur um den Preis einer Eingrenzung des relevanten Gegenstands entstehen konnte, weil nur so bestimmte partikulare Aspekte der Wirklichkeit ins Blickfeld der Forschung gelangten und dort – isoliert betrachtet – präziser beschrieben und erklärt werden konnten. Nun zu meinen, damit trotzdem die ganze Wirklichkeit im Blick zu haben, ist eine weltanschauliche Position, keine wissenschaftliche. Es ist eine Entscheidung, die man so treffen kann, die aber ihrerseits keine bessere wissenschaftliche Grundlage hat als andere Entscheidungen im Zusammenhang mit der Ursprungsfrage. Das zu verschleiern, um Wissenschaft in Szientismus zu überführen, ist höchst unwissenschaftlich.

Der Versuch einer szientistischen Vernebelung der prinzipiellen Ungewissheit aller Antworten – seien sie wissenschaftlich oder religiös grundiert – auf die Ursprungsfrage, die eine Frage des Glaubens ist, zeigt sich auch in einigen Texten zum Darwin-Jahr, ebenso die Kritik an diesem Versuch, gegen die sich Vertreter der wissenschaftlichen Weltanschauung gerne immunisieren: Wer vorgibt, der Mensch sei mehr als biologisch beschreibbare Materie, ist eben in seinem Stolz gekränkt, ob der Naturalisierung seiner kulturellen und/oder religiösen Identität. Doch wer die Kritik der Geisteswissenschaftler und Theologen durchdenkt, stellt fest, dass sie nicht von verletzter Eitelkeit motiviert ist, sondern handfeste Bedenken dazu geäußert werden, dass ein schleichender, unbegründeter Übergang stattfindet, von der begrenzten Methode zur entgrenzten Heuristik und von dort zu einer „nicht-metaphysischen Metaphysik“, die man nur als schlechte Philosophie bezeichnen kann.

Natur und Kultur

Man kann im vollendeten Darwinismus also keine Grenze mehr ausmachen, von der an der Weltbetrachter dem Wissenschaftler die Feder aus der Hand nimmt. Den Autoren Betrug an der Leserschaft vorzuwerfen, würde voraussetzen, dass sie selbst einen Übergang erkannten und verschweigen. Doch wer alle Bereiche der Kultur irritationsfrei als Spielarten der einen natürlichen Kausalität (nämlich der Evolution) begreift, dem wird dieser Vorwurf nicht zu machen sein. Allein die Prämisse, die Natur und Kultur zusammenfallen lässt, ist fragwürdig, da sie nur um den Preis eigentümlicher Definitionen gilt.

Die Idee der Entwicklung mag prägend sein, ob Darwin immer der richtige Pate ist, scheint fragwürdig, da Naturevolution und Kulturevolution doch nicht so einfach zur Deckung zu bringen sind. Deutlich wird dies am Begriff der Geschichte: Naturgeschichte und Kulturgeschichte sind zwei Paar Schuhe. Das zeigt sich am jeweiligen Umgang mit der Kontingenz menschlicher Freiheit, wie Volker Gerhardt und Julian Nida-Rümelin herausarbeiten.

Andererseits gibt Darwin Anlass, über den Natur-Kultur-Gegensatz gerade angesichts seiner geschichtsorientierten Theorie neu nachzudenken. Der Mit-Herausgeber des neuen interdisziplinären Handbuchs „Evolution“, der Historiker Philipp Sarasin, beschäftigt sich in diesem Zusammenhang mit dem Verhältnis von Darwin und Michel Foucault, ihren innovativen Ansätzen, die mit Denktraditionen brechen, wie der Gegensatz von Natur und Kultur sicher einer ist. „Wesen“ und „Ordnung“ entpuppen sich vor dem Hintergrund seiner Analyse als unhaltbare Konzepte zur Beschreibung der Dinge in Natur und Kultur. Die Historizität ihrer Theorien sorgt für die Verzahnung von Natur und Kultur und richtet sich gegen ihre jeweilige Verabsolutierung (Biologismus, Kulturalismus). Sarasin kann nachweisen, dass und wie Foucault sich von Darwins Evolutionstheorie hat beraten lassen und so zu einem regelrechten Anti-Kulturalismus gelangt. Umgekehrt sollte die inhärente Geschichtlichkeit der Evolution und ihre theoretische Beschreibung durch Darwin einem plumpen Biologismus wehren.

Dieser wiederum – es wurde bereits angesprochen – gibt sich die Deutungshoheit über Darwin. Die biologistische Lesart des Darwinismus, wie sie etwa bei Dawkins oder Junker/Paul erscheint, tritt mit dem Anspruch auf, mit einem Gegenstand (Natur) den anderen (Kultur) hinreichend erfassen zu können. Wer Darwin ernst nimmt, so die Position, muss mit ihm alles erklären können, auch sperrige Phänomene wie die Kultur – das ist die programmatische Maßgabe, die etwa Dawkins veranschlagt. Auf diesem Wege gelangt er zur ganz eigenen Kulturtheorie, die vor allem zeigt, dass die Anwendung biologischer Konzepte auf kulturelle Phänomene zum Scheitern verurteilt ist.

Gene, Meme, Mone

Dawkins behauptet die Existenz so genannter „Meme“. Analog zu den Genen als Träger unserer körperlichen Eigenschaften seien „Meme“ Träger geistiger Eigenschaften (Gedanken, Ideen, Vorstellungen), wie sie sich im sozialen, politischen, religiösen Kontext äußern, also in der menschlichen Kultur. Religiöse Vorstellungen sind dabei krankhafte „Meme“, die jedoch – den Viren gleich – besonders hartnäckig sind und besonders erfolgreich darin, ihr geistiges Erbgut zu verbreiten. „Meme“ replizierten sich dabei durch Kommunikation.

Das Mem-„Mem“ konnte sich nicht durchsetzen. Die kulturelle Welt ist weit komplizierter als uns die „Mem“-Theorie glauben macht. Die Memetik wurde deshalb und aufgrund innerer Widersprüche und epistemologischer Überspannungen kulturwissenschaftlich nie wirklich ernst genommen. Der Theologe Richard Schröder hält sie für „grundfalsch“ (vergleiche die Rezension zu „Abschaffung der Religion? Wissenschaftlicher Fanatismus und die Folgen“). Doch auch die Biologen sind nicht alle begeistert von derlei Weiterung „ihres“ Darwinismus: Stephen Jay Gould hält „Mem“ schlicht und ergreifend für eine „sinnlose Metapher“. Eine Sinnlosigkeit, die auch ihren Apologeten im Internet – nach anfänglich erfolgversprechender „Replikation“ – nicht mehr verborgen bleibt. Das Online-„Journal of Memetics“ wurde jedenfalls 2005 aufgrund ausbleibender Beiträge eingestellt.

Das Problem mit der epistemologischen Überreizung der Evolutionstheorie liegt jedoch weniger darin, dass man in sich widersprüchliche Erklärungen der Kultur gibt, sondern dass man damit Raum gibt, die Evolutionstheorie als ganze zu diskreditieren, also auch für den Bereich, wo sie gute Erklärungen leistet. Die Memetik ist dafür ein prominentes Beispiel. Dass diese von Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaftlern abgelehnt wird, bedeutet nicht, dass damit die Empfehlung ausgesprochen wird, die Evolutionstheorie als solche nicht ernst zu nehmen.

Wem die „Meme“ noch nicht bizarr genug sind, findet bei Lázló Mérö Anschluss, der – auf der Basis einer „Mem“-Apologie – die Existenz so genannten „Mone“ behauptet. Eigentlich geht er in seiner biologistisch-evolutionistischen Wirtschaftstheorie vom bekannten Zusammenhang zwischen Evolutionstheorie und Ökonomie aus, man könnte auch sagen: von der Seelenverwandtschaft zwischen Darwin und Thomas Robert Malthus: Für Darwin war der frühkapitalistische Nationalökonom Malthus ein wichtiges Vorbild. Er fand in ihm den entscheidenden heuristischen Hebel für seine Evolutionstheorie, die damit eine ökonomische Theorie des Lebens ist. (vergleiche: „Darwin und die Wirtschaft“)

Zunächst ist es dabei Darwin, der eine ökonomische Theorie zur Grundlage einer biologischen Theorie macht, wie Jochim Bauer erarbeitet (vergleiche: „Das kooperative Gen. Abschied vom Darwinismus“). Mérö dreht den Spieß um und entwickelt eine biologische Theorie der Wirtschaft, genauer: des Geldes. Analog zu Dawkins umstrittenem Interpretament „Mem“ erdenkt der ungarische Mathematiker und Psychologe das „Mon“, ein ökonomischer Replikator, eine Information, die zu Kapitalinvestments anreizt und so Wirtschaftsunternehmen entstehen lässt, die sich mit Hilfe des „Mons“ entwickeln. Um die Analogie von genetisch prädisponierten Lebewesen und „mon“-gesteuerten Konzernen zu begründen, bildet Mérö die systemischen Abläufe und Zusammenhänge als „Gödel-Strukturen“ ab und vergleicht sie in übersichtlichen Schaubildern, die wieder das Problem der Vereinfachung in sich tragen. Dabei ist er jedoch weit vorsichtiger als andere Autoren, die mit Darwin über Darwin hinausgehen – vor allem, wenn es dabei darum geht, das Phänomen Religion zu erklären.

Religion und Gott

Außerhalb dessen, was mit Darwins Evolutionstheorie beschreibbar ist, gibt es nichts mehr, das für den Menschen von Bedeutung wäre. Umgekehrt muss alles, das Bedeutung hat, evolutionär entstanden und damit evolutionistisch erklärbar sein. Auch die Religion. Das ist praktisch, liegen doch viele Religionen mit ihren tradierten Vorstellungen zur Schöpfung einer Deutung der Evolutionstheorie quer, die die Ursprungsfrage nicht offen lässt, sondern als Teil der naturwissenschaftlichen Erklärung einklammert. Die Auseinandersetzung mit der Religion findet also auf zwei Ebenen statt: einerseits ist der Schöpfungsgedanke, der Darwins Evolutionstheorie zu widerstreben scheint, ein religiöser, anderseits soll sich Religion (und damit auch der Schöpfungsgedanke) darwinistisch erklären lassen. So lässt sich Schöpfung elegant aus der Welt schaffen, obgleich es auf einer Metaebene interessant wäre zu fragen, warum ausgerechnet die Evolution etwas hervorbringt, dass ihr zu widersprechen scheint, nämlich Schöpfungsglauben. Umgekehrt zeigt sich in dieser „Hochrechnung aufs Ganze“ (Karl Eibl) selbst ein religiöser Zug der Evolutionsforschung.

Um diese Hochrechnung leisten und dabei den religiösen Glauben überwinden zu können, bedarf es eines passenden Religionsverständnisses und Gottesbegriffs. In der evolutionistischen Diskussion „letzter Dinge“ sind „Religion“ und „Gott“ so bestimmt, dass sie sich mit den Mitteln der naturwissenschaftlichen Forschung erklären lassen. Das Paradigma prägt die Gegenstände. Die biologischen Erklärungen sind zu verlockend und kaum jemandem fällt auf, dass die erklärten Gegenstände zurechtgestutzt sind.

Gott wird in der Spur des „Gegenpapsts“ Ernst Haeckel, der Gott als „gasförmiges Wirbelthier“ [sic!] beschrieb, physikalisiert und naturwissenschaftlich verfügbar gemacht: Gott existiert dann, wenn er sich im Labor wiederholt herstellen lässt. Der vorgestellte Gottesbegriff muss also Bestandteil einer naturwissenschaftlichen Hypothese sein können, um sinnvoll verhandelbar zu sein. Da ein solcher „Gott“ nicht existiert (wenn er existierte, wäre er nicht Gott), existiert Gott nicht. Ein solch naturalistisches Gotteskonzept, bei dem die Beantwortung der Existenzfrage an sinnliche Erfahrung gebunden wird und das damit kategorial der „Designer“-Vorstellung des „Intelligent Design“ (ID) entspricht, ist im Rahmen einer christlichen Theologie nicht satisfaktionsfähig. Daher muss diese zunächst bemüht sein, das Gottesbild des Christentums zu klären; dazu später mehr.

Religion wird auf die Funktion „Reproduktions- und Überlebensvorteil“ reduziert. Da es sie, die Religion, überall gibt, muss sie eine solche haben beziehungsweise gehabt haben. Religion muss dem Einzelnen gesellschaftliche Vorteile bringen, sonst gäbe es sie nicht, die Religion. Individualistische Formen (Jainismus, Einsiedelei) werden im Rahmen dieser „Erklärung“ ebenso systematisch ausgeblendet, wie die Tatsache, dass Religion vielen Menschen eher gesellschaftliche Nachteile bringt (jeder zehnte Christ kann ein Lied davon singen). Wieso aber, so könnte man fragen, konvertieren Menschen sich geradezu in die Schwierigkeiten hinein – in China, in Indien, in der arabischen Welt? Im Deutungsmuster „Darwin“ dürfte so etwas nicht vorkommen. Auch das Martyrium bringt für die proklamierte Selbsterhaltungsfunktion der Religiosität argumentative Probleme; auch dazu später mehr.

Gegen den Anti-Darwinsmus des „Intelligent Design“

Explizit gegen eine nicht- oder vielleicht besser: anti-darwinistische Vorstellung von Evolution, nämlich die auf Mikroevolution beschränkte ID-Theorie, die einen geteilten Ursprung aller Dinge und eine nachfolgende Makroevolution verwirft, ist das Buch „Mit Darwin leben. Evolution, Intelligent Design und die Zukunft des Glaubens“ von Philip Kitcher, Philosoph mit Schwerpunkt Wissenschaftstheorie und -geschichte an der Columbia Universität (New York), geschrieben, der mit der „Rivalin“ von Biologie und Geowissenschaften sachlich und kenntnisreich umgeht und ihren Status zwischen Wissenschaft und Religion bestimmt. ID sei insoweit Religion, als damit bestimmte Schöpfungsvorstellungen wissenschaftlich protegiert werden, insoweit jedoch keine Religion, als sich ihr „Antiselektionismus“ auch nicht-religiös einkleiden lasse. ID sei entsprechend insoweit Wissenschaft, als Kritik am Darwinismus methodologisch anschlussfähig formuliert werde (obgleich sie auch anderweitig vorgebracht wurde und wird und zum Teil schon von Darwin selbst behandelt worden ist), insoweit jedoch keine Wissenschaft, als der Schöpfungs- oder vielleicht besser: „Design“-Gedanke Teil der wissenschaftlichen Heuristik sein soll. Kitcher rekonstruiert beispielhaft einige ihrer Argumentationsfiguren, um zu dem Urteil zu gelangen, dass es sich bei „Intelligent Design“ um eine „tote Wissenschaft“ handle, die zum Verständnis der Vorgänge in der Natur – hier und heute – nichts beitragen könne und auch das Verständnis des darwinistischen Paradigmas nicht fördere, also nicht einmal wissenschaftshistorisch von Interesse sein könne. Soweit, so nachvollziehbar.

Dann begeht Kitcher jedoch den Fehler, das Schicksal des gesamten Christentums an das des Kreationismus beziehungsweise des „Intelligent Design“ zu binden und den christlichen Glauben entsprechend des wissenschaftlichen Fortschritts „auf dem Rückzug“ zu sehen. Dass dies eine Verkürzung darstellt, sollte sich bei der Lektüre theologischer Abhandlungen erweisen (Kummer; hier: Kessler), dass diese Verkürzung nicht unpopulär ist, zeigt die Lektüre evolutionsbiologisch fundierter Weltanschuungsschriften (Dawkins; des Buchs von Junker/Paul). Immerhin lässt Kitcher die Möglichkeit, dass Gott existiert, offen und findet es „arrogant, kategorisch zu behaupten, es könne gar nichts geben, das unsere vagen Vorstellungen von Transzendenz entspräche“. Genau diese Behauptung stellt der szientistische Evolutionismus auf. Doch allenfalls als persönliche „Spiritualität“ kann dieser Glaube noch gelebt werden. „Spiritueller Glaube“ gibt fast alles auf, was Glaubensinhalt des Christentums ist und beschränkt sich auf Ethik, für die der „spirituelle Christ“ in der Bibel „Symbole“ findet – mehr nicht. „Substanzieller Glaube“, der etwa an der Auferstehung fest hält, kann hingegen für Kitcher nur das Ergebnis von Indoktrination und Ignoranz sein. Mit diesem „Dawkins light“ gelingt es, den Glauben soweit einzufrieden, dass er als Privatvergnügen einzelner, nicht mehr zur Gemeinschaftsbildung fähiger Sinnsucher unbedeutsam wird – und damit auch nicht mehr „gefährlich“ ist.

Ob Kitcher das eigentlich will, wird nicht ganz deutlich. Zwar ist die unverbindliche Spiritualität die einzig verbliebene Kontingenzbewältigungsstrategie (neben dem intellektuell weit überlegenen säkularen Humanismus freilich, dem er sich selbst zurechnet), andererseits lobt er die Religion für ihre soziale Funktion. Das ist in der Genese der Religion – entgegen der Vorstellung von Soziobiologie und Religionssoziologie – zwar nicht das Motiv, sondern die Folge, und im religiösen Alltag nicht der Wesenskern, sondern ein Nebeneffekt, doch immerhin lässt überhaupt mal jemand, der selbst nicht religiös ist und entsprechend eine Religion von innen kennt, ein gutes Haar an Religionsgemeinschaften. Sie seien Orte des Trostes und des Beistands (was selbst Marx nicht leugnete), aber auch des Protests, denn an ihnen werde es möglich, individuelles Leid zum sozialen Widerstand und einem wirkungsvollen Kampf gegen Armut und Unterdrückung zu bündeln. Man reibt sich verwundert die Augen und wartet auf das „Aber“. Das kommt dann eine Seite weiter: Freilich werde die Religion nur von schwachen Menschen gebraucht, denen die kalten Höhen der intellektuellen Redlichkeit zu luftig und zu ungemütlich seien. Die Religionsgemeinschaft bekommt damit das handliche Profil einer Agentur zur seelischen Bedürfnisbefriedigung, die solange als Trost-Dienstleister gebraucht werde, solange andere Einrichtungen diese Essenz der Religion – die natürlich nicht im Glauben oder gar in Gott besteht – in ihr Programm überführt haben. Störend und auch gar nicht einzusehen sei demnach, dass Religionsgemeinschaften auch Orte seien, an denen Menschen zusammenkommen, die an etwas Übernatürliches glauben. Darum sei es erste Religiösenpflicht, „eine kosmopolitische Version eines spirituellen Glaubens zu finden, der nicht in einen zersplitterten Glauben an Übernatürliches zurückfällt“. Seid spirituell, seid religiös, tröstet Euch (wenn ihr es braucht), sorgt für Gerechtigkeit und Frieden, aber hütet Euch vor Gott! Christen mögen aus dem Kreuz einen Sinn für Leid entwickeln, sich aber von der Hoffnung auf Leben, also: vom Auferstehungsglauben verabschieden.

Kann das Kitchers Ernst sein? Offensichtlich kann man Religion, Religiosität und Spiritualität so dramatisch falsch verstehen, dass etwas derartiges dabei herauskommt. Fest steht: Das Kreuz ist ohne Auferstehung sinnlos. Nur dadurch, dass in ihm bereits das Licht des Ostermorgens leuchtet, kann es zum Symbol des Lebens werden, das im Zentrum des christlichen Glaubens steht. Mit der Auferstehung – wie schon Paulus meinte – steht und fällt das Christentum – was immer jeder einzelne Gläubige unter „Auferstehung“ genau versteht. Vermutlich geht es gerade deshalb darum, den Auferstehungsglauben zu diskreditieren, damit am Ende nur eine umso leichter zu attackierende Religionsruine übrig bleibt.

Religion ohne Gott. Der Sinngehalt der Trennung von Religion und „Übernatürlichem“ kann sich vor dem Hintergrund des Hauptthemas (ID) nur so retten lassen, dass man unter dem „Übernatürlichen“ das enge Gottesbild des „Designers“ versteht. Der Religion jede Rede von Gott zu untersagen, so sie ernst genommen werden will, ist eine nicht nachzuvollziehende Windung, mit der das Tor zum Dialog zwischen Humanisten und Christen aufgehalten werden soll, ohne den Dialogpartner sonderlich ernst zu nehmen oder das Wesen des zweckfreien Glaubens an Gott – einfach, weil Gott „Gott“ ist – wirklich zu verstehen.

Evolution statt Schöpfung

In dieser Richtung eines allgemeinen Unverständnisses gegenüber dem religiösen Glauben ist seit Jahrzehnten Richard Dawkins aktiv, ein britischer Evolutionsbiologe, der seinen Atheismus (besser: Anti-Theismus) als „wissenschaftlich“ betrachtet, weil er meint, mit der Wissenschaft habe sich Religion, mit der Evolution Schöpfung und mit Darwin Gott erledigt. Wer angesichts der Antworten der Evolutionsbiologie im Ausgang von Darwin dennoch unbeirrt nach Gott suche, sei Opfer eines krankhaften Wahns, einer Psychose, eines Virus – im Laufe seiner Einlassungen findet er einige plastische Beschreibungen für das, was seiner Ansicht nach Religiosität im Kern ausmacht.

Dawkins Thesen sind – soweit sie Gott, den Glauben und die Religion betreffen – fehlerhaft, einseitig, im Duktus großspurig, in der Diktion hetzerisch und unter dem Strich (religions-)philosophisch und theologisch substanzlos. Dass sie trotzdem eine breite Rezeption erfahren, hat mehr mit seinem Renommee als Naturwissenschaftler als mit einer zu erwartenden Expertise in Fragen des religiösen Glaubens zu tun. Harvard-Kollege Owen Gingerich wirft Dawkins vor, er setze seine Reputation als Evolutionsbiologe dafür ein, seine Meinung zur Religion als eine „wissenschaftliche“ zu verbreiten, obwohl sie genauso eine weltanschauliche sei wie die Meinung derer, gegen die er schreibt (vergleiche dazu: „Gottes Universum. Nachdenken über offene Fragen“). Das ist eine wichtige Feststellung: Wissenschaftliche Weltanschauung ist Weltanschauung, nicht Wissenschaft.

In seinem neuen Buch, das eigentlich eine popularisierende Erläuterung von Darwins Evolutionstheorie ist, nennt Dawkins Schöpfungsgläubige „ungebildet“ und „bis an Perversion grenzend verblendet“ – zunächst die evolutionskritischen, nimmt man den Duktus anderer Dawkins-Schriften hinzu, lässt sich dieses Urteil jedoch auf alle Menschen münzen, die an der Idee einer Schöpfung der Welt festhalten. In „Die Schöpfungslüge“ [sic!] bezeichnet er diese Menschen als „Holocaust-Leugner“. Da die Leugnung des Holocaust in Deutschland ein Straftatbestand ist, handelt es sich dabei um eine besonders pikante Charakterisierung und stellt gleichzeitig einen weiteren Schritt in der atheistischen Gegenmission dar: Es reicht offenbar nicht mehr aus, Gläubige zu pathologisieren und moralisch zu delegitimieren, jetzt müssen sie auch noch kriminalisiert werden. Kessler mutmaßt, dass sich unter einem „Dawkins-Regime“ viele religiöse Menschen im Gefängnis wiederfänden. Für eine solche Schlussfolgerung braucht es in der Tat nicht allzu viel Fantasie.

Die Beleidigung anderer Menschen, die anders sind, weil sie anders denken und glauben, verteidigt Dawkins in einem Interview zu seinem Buch auf „Spiegel Online“ jedoch nicht nur als epistemisch und ethisch geboten, sondern versteht sie als beste Unterhaltung: „Wenn ich einen Autor lese, der irgendeinen Idioten verhöhnt, dann würde mich das amüsieren, nicht abschrecken.“ Mit jeder Entgleisung dieser Art nimmt nicht nur der Wissenschaftler Dawkins Schaden (denn eine derart selbstherrlich zelebrierte Verachtung Andersdenkender und -glaubender als „Idioten“ fällt auf den zurück, der sie predigt), sondern, indem er vorgibt, diese Ausfälle „wissenschaftlich“ fundieren zu können, auch die Wissenschaft selbst. Es ist offensichtlich nicht besonders klug (schon gar nicht „wissenschaftlich“!), einen Glauben, der dem eigenen Glauben widerspricht, unter Strafe stellen zu wollen. Er muss in einer demokratischen und offenen Gesellschaft toleriert (also: erduldet) werden. Wer statt dessen Menschen mit anderer Ansicht kriminalisiert, setzt sich dem Verdacht aus, die „Folgelasten der Toleranz“ (Jürgen Habermas) nicht tragen zu wollen.

Wie Dawkins gehen auch der Biologe und Wissenschaftshistoriker Thomas Junker und die Biologin und Wissenschaftsautorin Sabine Paul von der Unversöhnlichkeit des Schöpfungsglaubens mit der Evolutionstheorie aus. Und: Vielmehr als die Evolutionstheorie bräuchten wir nicht zu kennen, um unsere Kultur, ja: „unser Leben“ erklären und damit (siehe oben) verstehen zu können, einschließlich der Kunst und, klar, der Religion. Das ist die Kernthese ihres Buchs „Der Darwin-Code“, ambitionierter Untertitel: „Die Evolution erklärt unser Leben“.

Die Deutung der Religion im Rahmen eines biologistischen Evolutionismus ist dabei nicht besonders originell. Der Biologe David Sloan Wilson hält es für erwiesen, dass Glaubenssysteme nach den Regeln von Darwins Evolutionstheorie entstehen; sein Namensvetter, der Soziobiologe Edward O. Wilson, sieht den Vorteil in der Integrationskraft der Religion, die sich noch heute stabilisierend auswirke, durchaus positiv, wie auch Kitcher meint. Dagegen ist Dawkins bekanntlich der Meinung, der Vorteil müsse sich überlebt haben und verkehre sich heute in einen Nachteil für die Welt, die Gesellschaft und jeden Einzelnen, der – soweit religiös – mit Glaube, Hoffnung und Liebe am eigentlichen Sinn des Lebens, der Akzeptanz einer gnadenlosen Sinnlosigkeit der Welt und eines erbarmungslosen Universums, das nur naturwissenschaftlich durchdrungen werden kann, vorbei zielt. Die Autoren scheinen auch in diesem Punkt stark von Dawkins beeinflusst, stellen sie der „Unterwerfung unter Gott“ (offenbar ist das ihre Lesart von „religiöser Glaube“) die „Unterwerfung unter die Gene“ als alternativen Lebenssinn entgegen, just jene „Sinn“-Konzeption, die sich bei Dawkins findet: Wir leben für unsere Gene.

Der schon sehr fragwürdigen Schöpfung-Evolution-Dichotomie (wer Teilhard de Chardin kennt, aber auch andere schöpfungsgläubige Naturwissenschaftler wie etwa der erwähnte Gingerich, dem fällt es schwer, diese apodiktische These so hinzunehmen) wird mit der Gegenüberstellung „Religion versus Kunst“ eine noch viel fragwürdigere hinzugefügt. Junker/Paul sind tatsächlich der Meinung, Religion und Kunst seien „feindliche Schwestern“. Diese Konfliktlinie anzuerkennen, wird jedem schwer fallen, der Antoni Gaudís „Sagrada Família“ oder Georg Friedrich Händels „Messiahs“ kennt, mal ganz abgesehen von den Glaubenszeugnissen großer Künstler wie Gaudí oder Händel und der Kreativität, die sich gerade in sakraler Baukunst manifestiert.

Eine feste Verbindungen erzeugt der von Junker/Paul vertretene Evolutionismus dagegen beim Thema „Religion und Gewalt“. Das verdient eine genauere Betrachtung.

An vieles in puncto Ideengeschichtsklitterung, wie sie auch bei Junker/Paul vorkommt, hat man sich inzwischen gewöhnt, etwa an die Behauptung, dass die Aufklärung nicht aus dem Christentum erwachsen ist, sondern in Gegnerschaft zum Glauben plötzlich aus dem Nichts auftauchte, um mit dem Christentum abzurechnen, da dieses selbst keinerlei kritische Kräfte zu aktivieren vermochte (so als habe es Bartolomé de Las Casas und Friedrich Spee nie gegeben, die – auch und gerade aus dem Glauben heraus – Fehlentwicklungen wie die Folterpraxis und die gewaltsame Unterdrückung von Menschen anklagten). Viele der absurden, dennoch (oder gerade deshalb) gebetsmühlengleich aufgemalten Zerrbilder der katholischen Kirche nimmt man mittlerweile nur noch kopfschüttelnd zur Kenntnis, sie zu widerlegen hat in einem Klima des vollendeten Misstrauens gegen Religion im Allgemeinen und Kirche im Besonderen keinen Wert, aber – wie die Autoren – die Lebensbejahung des Christentums, die schöpfungs- und moraltheologisch begründet ist, im Schema des Evolutionismus zur funktionalistischen Überlebensstrategie umzudichten (der Erfolg der Religionen wird eng mit der Fortpflanzungsrate ihrer Mitglieder in Verbindung gebracht), ist dann doch erwähnenswert, schlicht, weil sich hier das evolutionistische Paradigma weit über die Fakten erhebt und die Praxis nicht zur Theorie passt. Die katholische Kirche etwa wächst seit Jahrzehnten weit über das biologische Wachstum katholischer Bevölkerungsteile hinaus, ähnliches gilt für evangelikale Freikirchen. Es gibt auch andere Wege, für den Glauben Anhänger zu finden, Fortpflanzung ist nur einer davon. Da das aber hieße, dass Menschen wirklich von den Glaubensinhalten einer Religion überzeugt sein könnten und nicht nur Opfer von Indoktrination und Gruppendruck werden beziehungsweise in ihrer religiösen Orientierung nicht nur auf Vorteile und Selbsterhalt ausgerichtet sind, kann das freilich nicht sein.

Um die „grundsätzliche“ Disposition des Christentums zur Gewalt [sic!] zu begründen, wird in dem Text jedoch zudem behauptet, das Christentum habe sich quasi in einem Umfeld aus Terror und Krieg entwickelt (verwiesen wird auf den Terror der Zeloten und den Römisch-Jüdischen Krieg Ende der 60er des 1. Jahrhunderts), dessen Grausamkeit, so die Darstellung, auf die größte Religion der Welt abfärbte. Um das zu untermauern wird (ohne Beleg) unter anderem behauptet, fünf der zwölf Apostel seien Zeloten gewesen.

Mal ganz abgesehen davon, dass sich das Christentum nicht nur im krisengeschüttelten Alt-Israel entwickelt, sondern auch in der Megametropole Rom, im aufgeklärten Athen und in vergleichsweise friedlichen Regionen Afrikas und Asiens, mal ganz abgesehen davon, dass der Schluss von der gewaltsamen Atmosphäre auf die Gesinnung einzelner Gruppen im Hinblick auf deren eigene Gewaltbereitschaft voreilig ist, mal ganz abgesehen davon, dass es sich bei den Zeloten in der Jüngerschar Jesu um ehemalige Zeloten gehandelt hat, die sich Christus anschlossen, gerade weil dieser ein Kontrastprogramm zu ihrer Herkunftsgruppierung anbot, nämlich radikale Gewaltlosigkeit, mal ganz abgesehen davon, dass – angenommen, sie hätten tatsächlich versucht, die Jesus-Bewegung im Sinne der Bereitschaft zum Terror zu unterwandern –, die Geschichte der Jerusalemer Urgemeinde und der neu gegründeten Gemeinden in der ganzen damals bekannten Welt deutlich zeigt, dass dies nicht gelungen ist (so wie überhaupt das Christentum in den ersten drei Jahrhunderten Opfer von Gewalt, nicht aber Täter war; als Staatsreligion änderte sich dies im Rahmen dessen, dass Staaten nach innen und außen nun mal leider oft zur Gewalt als Fortsetzung der Politik neigen), mal ganz abgesehen von diesen leicht zu recherchierenden Fakten, verwundert die Zahl der Zeloten, die die Autoren beleg- gleichwohl zudem irritationslos in den Raum stellen: fünf. Da staunt der Laie und der Neutestamentler schaut verwundert. Man findet nämlich in deren Studien sonst immer nur, dass Simon, „der Zelot“ (Lukas 6, 15) wohl ein ehemaliger Zelot war, und dass man Judas Iskariot wegen dessen Beinamen lange für einen Zeloten hielt, sein Beiname nach herrschender Meinung aber weniger etwas mit der typischen Zeloten-Waffe zu tun hat (Sikarier), sondern vielmehr mit Judas’ Herkunft (Kariot). Das wären also wahrscheinlich einer, maximal zwei, aber keineswegs fünf. Es fällt schwer, hier einfach einen Schreibfehler zu unterstellen. Dafür wird die Frühgeschichte des Christentums (oder das, was die Autoren dafür halten) zu sehr als argumentatives Scharnier, gewissermaßen als „missing link“ zwischen Kultur und Natur, zwischen der christlichen Botschaft Jesu und dem evolutionistischen Erklärungsansatz präsentiert, in welchem passive Opferschaft und aktive Täterschaft in der Selbstaufgabe verschwimmen.

Die Autoren gehen nämlich weiterhin davon aus, das Martyrium verdanke sich einem (sozio-)biologischen Urinstinkt, der ehemals sinnvoll war, weil es Gemeinschaften stabilisierte, in modernen Gesellschaften freilich als „Fehlanpassung“ ins Leere läuft, weil der „Vorteil“ – worin und in welcher Hinsicht dieser auch immer genau bestanden haben mag – heute nicht mehr existiert.

Mit dieser abenteuerlichen These sollen christliches Blutzeugnis und islamistischer Terror durch Selbstmordattentate auf eine gemeinsame Basis zurückgeführt werden. Zwischen Sterben zum Zeugnisgeben und als Akt der Hingabe (christliches Martyrium) und dem Töten als Gewaltakt (islamistisches Selbstmordattentat) wird nicht unterschieden, so dass am Ende das Konterfei Mohammed Attas und das Maximilian Kolbes die beiden Seiten der einen evolutionistischen Medaille zieren (schwer zu glauben, wenn man Mohammed Atta und Maximilian Kolbe kennt), aus deren Strahlkraft man das komplexe Phänomen „altruistische Aufopferung seiner Selbst“ ergründet zu haben glaubt: Die Aufopferung geschieht nicht für Gott, für den Glauben, für ein höheres Ideal, sondern für die Gemeinschaft. Das ist die „evolutionäre Logik“, die christliches Martyrium und islamistisches Selbstmordattentat umklammert. Nach dieser Logik macht es dann auch keinen Unterschied für das Verständnis des Vorgangs, ob man nur sich selbst oder auch Andere opfert. Opfer und Täter stehen motivational auf einer Stufe.

Der Begriff der Martyriums im Christentums ist ein grundlegend anderer als der im Islam: nicht Gewalt ausüben, Gewalt erleiden. Nicht suchen, finden lassen. Nicht anstreben, annehmen. Das unterschlägt der darwinistische Erklärungsansatz. Das Martyrium aus Überzeugung, von dem niemand was erfährt, passt hier ebenso wenig hinein, wie das Opfer aus Liebe, einer Liebe, die nicht auf Gegenleistung seitens der Gemeinschaft als „Nutzen“ aus ist. Der Theologe Schröder meint, dass Christentum und Islam „durch ein fundamental anderes Verhältnis zur Gewalt charakterisiert werden, was mit ihren Entstehungsbedingungen zu tun hat“ (vergleiche dazu diese Rezension). Weil das die gleichförmige Darwin-Erklärung irritiert, müssen die Entstehungsbedingungen des Christentums also entsprechend umgedichtet werden. Die Ungenauigkeiten, Einseitigkeiten und Fehler summieren sich über die Darstellung zu völlig falschen Bildern auf, die schließlich in solch gewagten Thesen von der Wesensgleichheit von Martyrium und Selbstmordattentat oder von der Feindschaft von Kunst und Religion kulminieren.

Es ist also leider davon auszugehen, dass die Autoren bei dem fraglos schwierigen Versuch, das Christentum als „Religion der Gewalt“ vorzustellen und das christliche Martyrium unbedingt auch in die Terror/Gewalt-Schablone des Selbstmordattentats zu pressen, um ihr evolutionistisches Universalerklärungsmuster zu retten, es mit den Fakten absichtlich und nicht nur versehentlich nicht ganz so genau nehmen, sowie es nur ihre These untermauert. Das ist schade, weil eine so erschreckend unseriös aufgesetzte Argumentation nicht nur wenig Kraft besitzt, sondern auch vielen Opfern von Gewalt subtil Täterstatus verleiht, indem es Opfer und Täter unter das gleiche motivationale Prinzip stellt. Man muss weder Biologe noch Theologe sein, um rein intuitiv zu erkennen, dass ein kulturwissenschaftliches Paradigma wie das evolutionistische, mit dem man die Opfer von Alexandria und die Täter von Alexandria gleichermaßen als Ergebnis der Manifestation eines geteilten vor-zivilisatorichen Habitus betrachten soll, nicht stimmen kann. So wie auch die Frontstellung von Religion und Kunst mit gesundem Menschenverstand und offenen Augen und Ohren unbegreiflich ist.

Ob die Autoren also ihrem Anspruch gerecht werden, Darwins Evolutionstheorie als „Schlüssel zu den Problemen unserer modernen Kultur“ zu präsentieren, darf vor diesem Hintergrund bezweifelt werden. Das Schloss, die Probleme unserer modernen Kultur, so lange anzupassen, bis der Schlüssel doch passt, mag üblich sein, wenn der Zweck die Mittel heiligt, zeugt aber dennoch nicht von besonderer wissenschaftlicher Redlichkeit. Insgesamt vermag der evolutionistische Ansatz, den Thomas Junker und Sabine Paul vertreten, wohl nur eine mit theologischen und kulturwissenschaftlichen Kenntnissen nicht allzu sehr vorbelastete Leserschaft zu überzeugen.

Von ähnlicher Überzeugungskraft ist der Versuch, den Michael Arnold in „Evolution, Religiosität, Gott“ unternimmt, Religion (wie die Sprache) als genetisch angelegt und wirkmächtig entwickelt aufzufassen. Weder die genetische Erklärung der Religion, die sich über ein „Gottesgen“ (Dean Hamer) einschleiche, noch die Folgerung, sie sei am Ende doch nur grober Unfug, da das, was ihr Gegenstand ist, nämlich Gott, nur als „Fiktion“ existiere, ist dabei von besonderer Originalität.

In zwölf Briefen, die thematisch um das Themenfeld des Buchtitels kreisen, breitet Arnold disparate Gedanken zur Religion aus, zu ihrem Ursprung (natürlich: Bio!), zu ihrem Wesen (natürlich: funktionalistisch!) und zu ihrer Bedeutung für den Menschen (natürlich: Vorteilsverschaffung!). Gerichtet sind sie an einen Freund, der offenbar ein schöpfungsgläubiger, obgleich kritischer Katholik ist, dessen Antworten aber nur auszugsweise in dem Büchlein aufgenommen wurden, so dass man dessen Argumentation nur erahnen kann.

Arnold hat sich vorgenommen, eine „Antwort auf Richard Dawkins“ zu geben. Ontologisch ähnlich gelagert wie Dawkins (Gott ist bei Arnold „Fiktion“, nicht „Wahn“, der Glaube aber ebenso absurd und gestrig) bleibt die Kritik an Dawkins auch sonst eher an Nebensächlichkeiten hängen. Das mit dem „Wahn“ gehe schon in Ordnung, schließlich seien – dies teilt Arnold mit Junker/Paul – Selbstmordattentäter geradezu typische Religiöse und dann dürfen sich die Religiösen, die zufälligerweise mal keine Cafés in die Luft jagen, nicht beschweren, unter derlei Oberbegriffe subsummiert zu werden. Auch das physikalische (also: nicht-metaphysische) Gottesbild, das Dawkins gerne ins Feld führt, in der Annahme, jeder Schöpfungsglaube sei kreationistisch, also der Gott des raumzeitlichen Anfangs, der seinerseits einen Grund braucht, nicht der Gott des Grunds, der Urgrund des Seins, wird übernommen und als Strohmann brav abgefackelt (offenbar sieht Arnold zwischen „Anfang“ und „Grund“ keinen Unterschied, denn an anderer Stelle behauptet er, dass, sollte sich die Welt als anfangslos herausstellen, Gott obsolet würde, ganz so, als sei Gott als Grund für ein Universum mit Anfang denkbar, als Grund für ein Universum ohne Anfang aber nicht). Mit dem christlichen Gottesbild des Dreieinigen, der sich verhüllt gibt, ohne unnahbar zu sein, der sich den Menschen zuspricht, ohne ein Wunscherfüller zu werden, mit der Erfahrung Gottes als nah und zugleich fern, von der die Lebenszeugnisse vieler Christen Auskunft geben, kann Arnold nichts anfangen. Erst im achten von zwölf Briefen kommt Arnold überhaupt auf die Idee, dass man Dawkins theologisch und philosophisch widerstehen könne; die Kritik eines Freundes habe ihn zu dieser Erkenntnis gebracht. Glückwunsch.

Zumindest widerspricht Arnold implizit Junker/Paul in deren Annahme von der Religions-Kunst-Dichotomie und verweist auf die enge Verbindung von Religion und Kunst sowie den kulturellen und touristischen Wert sakraler Gebäude. Sonst befinden sich die Briefe jedoch auf theologisch ebenso dürftigem Niveau wie Dawkins’ Schriften oder auch die von Junker/Paul. Religiöse Gedanken bleiben weitgehend unverstanden, die Auseinandersetzung auf – in ihrem Sinn nicht näher erläuterte – „Dogmen“ der katholischen Kirche beschränkt. So sei die Ausnahmestellung, die die Kirche der menschlichen Seele innerhalb des Evolutionsprozesses zuschreibt (im Gegensatz zum Körper hat sie sich der kirchlichen Lehre nach nicht entwickelt, sondern wurde geschaffen), ein Dogma mit eingebautem und für Gläubige wirksamem „Denkverbot“. Dieses „Verbot“ wird offensichtlich nicht exekutiert, so dass sich Katholiken über die Seele sehr wohl Gedanken machen können und es auch tun. Zu diesen sagt Arnold ebenso wenig wie zu der Tatsache, dass es auch „nicht-dogmatische“, das heißt philosophische Hinweise darauf gibt, dass unser Bewusstsein etwas darstellt, das sich mit naturalistischer Methodik nicht vollständig erschließen lässt, was darauf hindeutet, dass es einen nicht-materialistischen Kern besitzt (vergleiche die „Qualia“-Debatte in der Philosophie des Geistes).

Geradezu hanebüchen ist der „empirische Nachweis“, den Arnold dafür anbietet, dass Religion für Werte und Normen keine Bedeutung habe: Anhand der jetzigen Rechtslage im säkularisierten Westen soll gezeigt werden, dass es keine Religion brauche, um Solidarität und Gerechtigkeit zu verwirklichen. Frage: Wo kommt dieses Recht her? Welche Bedeutung haben Menschenbilder bei der Entwicklung dieses Rechts gehabt? Und: Könnte das am Ende nicht doch etwas mit der (christlichen) Religion zu tun haben? Man muss keine Koryphäe in Sachen Ideengeschichte sein, um zu wissen, dass die wesentliche Institute unseres Rechtssystems (Freiheit, Gleichheit, Wohlfahrt) zu einem nicht unwesentlichen Teil ihre Wurzeln im Christentum haben. Doch Arnold reduziert dieses auf den Begriff der „Sünde“, der auf jeder dritten Seite – auch mal völlig unvermittelt – auftaucht. Das wäre eine gute Gelegenheit, um mit einem Schuss Christologie und Soteriologie den eigentlichen „Clou“ des Christentums vorzustellen: die Liebe Gottes in Jesus Christus, die es ermöglicht, zwischen Sünde und Sünder zu unterscheiden, sich von jener ab- und diesem zuzuwenden. Doch davon ist nicht die Rede. Wozu auch.

Insgesamt sind die Gedanken, die aus Gesprächsrunden im Freundeskreis entsprungen sind, wenig erhellend und auch nicht besonders originell. Meist werden sattsam bekannte Varianten religionskritischer „Argumente“ (Priesterbetrug, anthropogene Gottesfiktion, Projektion von Wunschvorstellungen, Unlösbarkeit der Theodizeefrage) mit dem Rückenwind der Evolutionstheorie als Universalerklärung zu reaktivieren und durch eine wissenschaftliche Diktion aufzupäppeln versucht. Das ist am Ende doch eher langweilig beziehungsweise nur für den Kreis der Gesprächspartner von Interesse.

Schöpfung mit Evolution

Überzeugender ist da schon der Versuch, Naturwissenschaft und Religion als aufeinander angewiesen zu begreifen und miteinander ins Gespräch zu bringen, in einen echten Dialog, der disziplinäre Grenzen behutsam zu überwinden versucht, ohne in kulturimperialistischer Weise den Beitrag der jeweils anderen Art, die Welt zu sehen, missachtet. Dieser Dialog ist ein Lebensthema Papst Benedikts XVI., der zu der Kontroverse um Schöpfung und Evolution vielfach Stellung bezogen hat. Seine Position fasst er wie folgt zusammen: „Ich sehe, daß zur Zeit in Deutschland, aber auch in den Vereinigten Staaten, eine recht erbitterte Debatte geführt wird über den sogenannten Kreationismus auf der einen und den Evolutionismus auf der anderen Seite, die als einander ausschließende Alternativen dargelegt werden: Wer an den Schöpfer glaubt, müsse die Evolution ablehnen, und wer dagegen die Evolution befürwortet, müsse Gott ausschließen. Diese Gegenüberstellung ist absurd, denn einerseits gibt es viele wissenschaftliche Beweise für eine Evolution. Sie zeigt sich als Realität, die wir erkennen müssen und die unser Wissen in Bezug auf das Leben und das Sein als solches bereichert. Aber die Evolutionslehre beantwortet nicht alle Fragen, und sie beantwortet vor allem nicht die große philosophische Frage: Woher kommt alles? Und wie entwickelt sich schließlich alles zum Menschen hin?“ Gerade die letzte Frage ist spannend: Wie kann die erkennbare teleologische Ausrichtung (die „Höherentwicklung“) hinreichend durch einen an sich zweckfreien Naturprozess erklärt werden?

Einen wichtigen Beitrag zur Diskussion dieser Fragen hat Christian Kummer unternommen. Der Jesuit hat Theologie, Philosophie und Biologie studiert und ist daher für die Fragen rund um Schöpfung und Evolution der ideale Ansprechpartner. Er leitet das Institut für naturwissenschaftliche Grenzfragen zur Philosophie und Theologie. In seinem Buch „Der Fall Darwin. Evolutionstheorie contra Schöpfungsglaube“ zeigt er, dass die Idee eines Schöpfergottes kein Widerspruch zur Evolutionstheorie ist, wenn man den Begriff der Schöpfung richtig deutet. Die Furcht der einen, die Hoffnung der anderen, sie sind unbegründet, denn: Darwin und Gott schließen einander nicht aus.

Ganz ähnlich argumentiert der Theologe Hans Kessler in „Evolution und Schöpfung in neuer Sicht“. Dort findet man zunächst eine ernsthafte und knappe Auseinandersetzung mit den Spitzen des szientistischen Darwininismus, die einen guten Überblick über grundlegende Muster der an Fakten und Argumenten unzureichenden Auseinandersetzung mit Schöpfung im Besonderen und Religion im Allgemeinen verschafft. Dazu wird der Begriff des christlichen Schöpfergottes ausführlich und verständlich erklärt: Gott ist der überpersonale Urgrund allen Seins, kein Anfang einer innerweltlichen Kausalkette. Gott ist kein objekthaftes übernatürliches Wesen außerhalb von Raum und Zeit, kein im Himmel (lokal verstanden) thronender Übervater, der die Welt „gemacht“ hat, sondern ein allgegenwärtiges Sein, das sich zugleich in Differenz (nicht Distanz) und in Einheit (nicht Gleichheit) zum Sein der Welt verhält. Alle Vorstellungen von Gott seien, so Kessler, in gewisser Weise hilflose Krücken, nicht aber der Glaube an Gott. Jede Rede von Gott bedeutet, das Unsagbare zu sagen, und Begriffe unserer Vorstellungswelt als Metaphern zu benutzen, um sich Gott zu nähern, obgleich das Scheitern dieses Unterfangens geradezu konstitutiv zum Gottesglauben gehöre.

In seiner theologischen Aufklärung über einen Gott, der „macht, dass sich die Dinge selber machen“ (Teilhard de Chardin), zeigt sich eine große Diskrepanz zum Zerrbild des „begrenzten Lückenbüßers“, der „die Dinge selber macht“, an das sich einerseits Kreationisten klammern, das andererseits (ironischerweise) von einigen Evolutionisten übernommen wird und dazu dienen soll, jeden Glauben an Schöpfung (und an Gott) bequem zu diskreditieren und als „überwunden“ zu deklarieren, sobald gewisse Erklärungslücken naturwissenschaftlich als geschlossen angesehen werden. Hier wie dort dient ein fragwürdiges Gottesbild dazu, einen Konflikt zu befeuern, der gar nicht da ist. Nur weil der Schöpfergott als Karikatur vorgestellt wird und die Differenz von Bild und Sache, von Vorstellung und Wahrheit, von metaphorischem Verweis und dem Verwiesenen verschwimmt, ist es beiden Extrema möglich, die Evolutionstheorie als „atheistisch“ auszuweisen, mal, um religiöse Menschen auf die kritiklose Annahme exegetisch unhinterfragter biblizistischer Schöpfungsideen einzuschwören, mal, um jeden Schöpfungsgläubigen pauschal einer wissenschaftlich unredlichen Weltanschauung zu bezichtigen.

Gegen diesen Konflikt schreibt Kessler sein Buch. In seiner theologischen Begründung für die Vereinbarkeit von Schöpfung und Evolution holt er weit aus. Es sei zunächst wichtig zu wissen, so Kessler, dass unsere Sprache ungeeignet ist für eine Annäherung an den christlichen Gott (schon weil sie grammatisch die Pluralbilder „Götter“ zulässt, die gleichwohl sinnlos wird, wenn man Gott als Urgrund allen Seins denkt) und weil unser begrenztes Denken auf eine Vergegenständlichung angewiesen ist, die das Missverständnis schon in sich trägt. Die Möglichkeit der Gotteserfahrung gibt es nur im Schweigen und unter Aufgabe aller Gegenständlichkeit. Diese jahrhundertealte Erkenntnis der mittelalterlichen Kontemplationsmystik, die hier in einen Kontext zum Verhältnis von Religion und Wissenschaft im 21. Jahrhundert gestellt wird, mache Gott noch am ehesten zu einem „um uns und in uns schwingendem unfasslichen Du“.

Kessler grenzt den christlichen Schöpfungsglauben von Materialismus, Pantheismus, Dualismus und Deismus ab – dabei immer wieder auf das grundlegende Missverständnis im Gottesbild zurückkommend: Christlicher Schöpfungsglaube ist nicht ein immer weiter zurückgedrängter Mythos innerhalb der wissenschaftlichen Forschung, sondern eine bestimmte Perspektive auf die wissenschaftlich ergründete Welt. Gott, so Kessler, ein Bild Robert Spaemanns aufgreifend, sei der Projektor, der den Film ausstrahlt. Zu erwarten, dass der Projektor selbst im Film vorkommt, sei absurd.

Evolution hingegen sei eine Realität. Der Gedanke einer sich im andauernden Entwicklungsprozess befindlichen Welt bekommt in der christlichen Schöpfungsvorstellung einen Eigenwert, den Teilhard in die Formel fasste, Gott mache, dass „die Dinge sich selber machen“, was den von Kessler zitierten Kummer zu der treffenden Bemerkung veranlasst: „Erst dann entstehen keine Kreaturen oder Kreationen mehr, sondern wirkliche Geschöpfe, die dadurch sind, was sie sind.“

Evolution könne nach Kessler als Prozess angesehen werden, der auf Schöpfung basiert. Gott ist darin gleichsam kein Künstler, sondern Urheber der Künste, ja, sogar, wie wiederum der zitierte Kummer bemerkt, „Urheber von Kreativität“ schlechthin. Doch: Ist das nicht gerade der abstrakte „Rückzugs-Gott“ des Deismus – und damit ein unchristliches Gottesbild? Kessler verweist in dieser Frage zunächst darauf, dass der christliche Schöpfungsglaube Eingriffe Gottes in die Evolution für denkbar hält und sie in der kontinuierlich fortdauernden Perpetuenz von Schöpfung und Evolution auch jetzt noch stattfinden, freilich nicht unmittelbar und (wissenschaftlich) aufzuweisen, sondern als „uneigentliches Wirken“ im Verborgenen bleibend. Ferner darauf, dass der Schöpfungsglaube von einem „Ziel“ spreche, das durch die Höherentwicklung in der Naturgeschichte nicht unplausibel ist, und schließlich darauf, dass Gott mit seiner Schöpfung die Entwicklung bejaht, weil er den Menschen liebt; auch hier zeigten sich Spuren dieser Liebe in der Evolution, etwa in der menschlichen Moralität. Und schließlich gebe es – zumindest nach christlicher Überzeugung – einen erkennbaren Eingriff Gottes in den Weltlauf: seine Menschwerdung in Jesus Christus, den „Omegapunkt“ (Teilhard), mit dem Gott der Schöpfung das Ziel des Evolutionsprozesses offenbart.

Schließlich stellt Kessler die Theodizeeproblematik, den „Fels des Atheismus“ (Georg Büchner), auf den Kopf und fragt sinngemäß, wie man angesichts der Übel in der Welt nicht an Gott glauben kann, an Gott, der das unerfüllte Sinnverlangen, in dem bereits die Plausibilität durchscheint, von einer Existenz Gottes auszugehen ( auch hier nimmt er einen Gedanken Spaemanns auf, nämlich den, dass Sehnsucht und Glaubenspraxis ein Hinweis auf die Existenz Gottes sind, so wie Durst ein Hinweis auf die Existenz von Wasser ist), in der Vollendung kompensiert. Die Hoffnung auf Gerechtigkeit für alle Menschen aufzugeben, gleich welches Leben sie lebten und welchen Tod sie starben, sei „Verrat an der menschlichen Vernunft“.

Eine beeindruckende Darstellung. Besonders wertvoll: Kessler schreibt sehr aufschlussreich, was Darwin selbst über das aus seiner Theorie erwachsende Verhältnis von Schöpfung und Evolution, Kultur und Natur, Gott und Welt dachte: Darwin würde sich im Grabe umdrehen, wüsste er, dass auf dem Rücken seiner Evolutionstheorie ein Kampf der Weltbilder stattfindet, hielt er selbst (wie viele andere Evolutionsforscher nach ihm auch) den Schöpfungsglauben sehr wohl für mit seiner Theorie vereinbar, welche die religiöse Frage nach dem „Warum?“ der Evolution sinnvoller Weise gar nicht zum Gegenstand erhebt. Lassen wir endlich Darwin zu Wort kommen.

Zu den Quellen

Darwin hat sich – für einen Wissenschaftler seiner Zeit nicht unüblich – ausgiebig mit diversen Korrespondenzpartnern zu seiner Arbeit ausgetauscht. Über 7.500 Briefe an mehr als 2.000 Personen sind erhalten. Die Briefe, die der renommierte Darwin-Editor Frederick Burkhardt herausgibt, sind ein repräsentativer Querschnitt aus dieser Fülle. Der junge Darwin (der Band enthält die Briefe von 1822 bis 1859) ist ein spontaner, begeisterungsfähiger Naturfreund, zugleich ein bescheidener und bodenständiger Mensch, der stets mit seiner Familie im Kontakt bleibt und seinen Fachkollegen geduldig Einzelfragen seiner Theorie erläutert. In seinen Briefen zeigt sich der „ernsthaft und ehrlich“ (Kessler) suchende Naturforscher. Zudem kommt das historische Verständnis, von dem Sarasin spricht, deutlich zum Ausdruck.

Darwin berichtet über seine Reise nach Südamerika, über die anfängliche Unsicherheit angesichts der mangelnden Erfahrung und über den Kontakt mit den „Wilden“, aus denen die Missionare bessere Menschen gemacht hätten, indem sie sie „in den Fertigkeiten der Zivilisation unterrichteten“. Zugleich spricht er sich gegen den Missbrauch der Wissenschaft zur Rechtfertigung der Sklaverei aus.

Die Briefe enthalten viel Privates, aber auch einige Details zur Evolutionstheorie, vor allem zu deren Entstehung und den Mühen des Forschersalltags. In einem Brief an seinen Freund Joseph D. Hooker notiert er: „Ich sehe kein Ende meiner Arbeit.“ Das Genie zeigt menschliche Züge. Wer in den Briefen allerdings einen Hinweis auf das von ihm entdeckte Selektionsprinzip, eine tragende Säule seines Theoriegebäudes sucht, wird enttäuscht. Darwin hält seine Entdeckung geheim. Die Angst vor Plagiarismus mag ihn von allzu großer Redseligkeit abgehalten haben.

Der Band erhält ein Verzeichnis aller Korrespondenzpartner und viele der in den Briefen Charles Darwins erwähnten Personen. Zudem findet sich im Anhang nebst einem Schlagwortregister ein Stammbaum der Familien Darwin und Wedgwood – Darwins Frau Emma war eine geborene Wedgwood – sowie eine Karte, auf der die Reise mit der „Beagle“ verzeichnet ist.

Mit „Zur Evolution der Arten und zur Entwicklung der Erde“ ist ferner eine frühe Schrift Darwins zur Evolutionstheorie erschienen, die von Uwe Hoßfeld und Lennart Olsson ausführlich eingeleitet und kommentiert wird. Auch sie sehen die Evolution als Universalerklärung, die „in fast alle Bereiche des menschlichen Daseins hineinspielt“ und die Biologie als Leitwissenschaft, die in dieser Funktion die Physik und die Chemie abgelöst habe. Die Evolutionstheorie als ihr Exponent wird verständlich vorgestellt, historisch eingeordnet und ihre Bedeutung anhand der rasch einsetzenden Kritik und der wissenschaftlichen Rezeptionsgeschichte erläutert. Die auch bei Hoßfeld/Olsson angesprochene Thematik Schöpfung und Evolution verbleibt auf der Ebene einer Auseinandersetzung mit dem Kreationismus. Der Band enthält ein Glossar, eine tabellarische Biografie Darwins, eine ausführliche Auswahlbibliografie und ein Namensregister; leider fehlt ein Sachwortverzeichnis.

Zusammenfassung und Fazit: Religion, Glaube und Gott

Wer also hat Recht: die Bibel oder Darwin? Jenseits einer persönlichen Entscheidung kreationistischer oder evolutionistischer Provenienz könnte einem Menschen auffallen, dass es gar nicht um eine solche Entscheidung geht. Dass es immer weniger Menschen auffällt und sich religiöse und wissenschaftliche Fundamentalisten aneinander hoch hangeln, um für sich ein Deutungsmonopol über die Bibel und Darwin zu beanspruchen, stimmt bedenklich. Aufgabe einer zeitgemäßen philosophischen Metaphysik muss es sein, die Frage zu reformulieren und dem Verhältnis von Schöpfung und Evolution nachzuspüren, eingedenk einer klugen Theologie, die mit der Bibel sinnvoll umgeht, und einer wissenschaftlichen Forschung, die sich der Grenzen ihres Tuns bewusst ist. Dazu bedarf es Offenheit auf beiden Seiten. Nicht immer ist diese erkennbar.

Ob Darwin Gott verdrängt hat, hängt davon ab, ob Gott ein Gegenstand der Physik oder der Metaphysik ist, der Immanenz oder der Transzendenz. Verdrängen kann man nur, was im Raum ist. Der „Gas-Gott“ Haeckels, der auch heute noch oft mit dem Gott der Bibel in Verbindung gebracht wird, der „Designer-Gott“ der Kreationisten, der einem grundfalschen Bibelverständnis entspringt, der aber mindestens ebenso oft mit dem Gott des Christentums verwechselt wird und jedes andere reduzierte akzidentielle Gottesbild eines nachvollziehbar immanent wirkenden Geistes wird durch Darwins Theorie sehr wohl in Frage gestellt. Gut so. Denn damit lenkt auch die naturwissenschaftliche Forschung den Blick des Gläubigen auf den unendlichen substanziellen Gott, auf den uns Jesus Christus, vor allem aber die christliche Mystik schon längst aufmerksam gemacht haben. Damit kommt man zu einem angesichts der heftigen Auseinandersetzungen um Darwin paradoxen Befund: Statt dass die Evolutionsbiologie den Glauben an Gott wegnimmt, hilft sie – nolens volens – diesen Glauben zu vertiefen. Die Evolutionstheorie vertieft insoweit den Glauben an Gott, als sie Gott aus der Natur heraushält, damit jeder engstirnigen Lokalisation Gottes entgegensteht und die Unendlichkeit und Allgegenwart Gottes unterstreicht, die im christlichen Gottesbild grundlegend ist. Ohne näher darauf eingehen zu wollen: Man kann im diesem Kontext zeigen, dass die schöpfungstheologischen Vorstellungen Teilhard de Chardins, dass sogar Thomas von Aquins teleologischer Gottesbeweis „Quinta via“ auf eine gottlose Natur angewiesen sind. Auch wenn einige Interpreten Darwins dessen Evolutionstheorie für weltanschaulich umwerfend halten: Wer wegen Darwin Atheist wird, hat nicht verstanden, an was er nicht glaubt.

Die Annahme, Wissenschaft beseitige den Glauben, ist ohnehin grundverkehrt, sie beseitigt aber – das ist aus Sicht des religiösen Glaubens ihr Verdienst – den Irrglauben. Insoweit hat sie Anteil an der Ergründung der einen universellen Vernunft und Wahrheit, die ein gläubiger Mensch Gott nennen mag. Wissenschaft war und ist von Aristoteles über Johannes Kepler, Nikolaus Kopernikus, Isaac Newton und Gottfried Wilhelm Leibniz bis zu Darwin in diesem Sinne Gottesdienst. „Wer die Wahrheit sucht, sucht Gott“, meint Edith Stein, die alles kennengelernt hat, was hier zur Debatte steht: Atheismus und Wissenschaft, Gottesglauben und Religion.

Das nimmt auch die weltanschauliche Brisanz aus der evolutionistischen Kulturtheorie: Eine evolvierende Welt (der Wirtschaft, der Kunst, der Religion) muss keine gottlose Welt sein, weil es denkbar ist, dass Gott diesen Entwicklungsprozess steuert, wie das etwa hinter der Forderung Teilhards steht, nunmehr alles im Lichte der Evolution zu betrachten. Allein: Die spekulativen Zuspitzungen einiger Autoren, die mit Darwin über Darwin weit hinaus gehen, können in der Einseitigkeit der natürlichen Erklärung für komplexe kulturelle Phänomene wissenschaftlich nicht überzeugen. Die evolutionistischen Deutungen betreffen immer nur Teilaspekte der komplexen Phänomene. Sie wären in den engen Grenzen ihrer Aussagekraft im Rahmen einer differenzierenden Analyse durchaus diskutabel, in der vorgenommenen Generalisierung können sie nicht überzeugen. Sie scheitern am eigenen universalistischen Erklärungsanspruch, den Dawkins als „Zwang“ versteht: Wenn etwas in der Welt ist, dann muss es mit Darwin erklärbar sein, denn sonst wäre es nicht in der Welt. Um diesem szientistischen Druck, den einige Evolutionsbiologen aufbauen, standhalten zu können, wird alles herausgestrichen und herausgekürzt, was nicht passt, nur um nicht das schlichte Allerklärungsinstrument depotenzieren zu müssen und es als das anzusehen, was es ist: eine bewährte naturwissenschaftliche Theorie, die die Entwicklung des biologischen Lebens in der Natur gut beschreibt. Aber längst kein Ersatz für die geistes- und sozialwissenschaftliche Erforschung der menschlichen Kultur, und schon gar nicht eine hinreichende Art und Weise Form, Religion und Religiosität zu verstehen.

Zweck und Sinn, Wissen und Glauben, Wissenschaft und Weltanschauung

Es ist schwierig, wenn nicht gar unmöglich, Mensch und Welt gänzlich ohne Bezug zu Zweck, Ziel und Sinn zu denken, wie es die moderne Naturwissenschaft fordert, die in ihrer Welterklärung auf jede metaphysische Annahme zu verzichten bestrebt ist. Doch wenn Vertreter einer methodologisch derart ateleologischen Naturwissenschaft über Zweck, Ziel und Sinn sprechen (auch wenn sie dies im negativen Modus tun – also, wenn sie etwa behaupten, Mensch und Welt hätten keinen Zweck, Ziel und Sinn – bleiben es doch Aussagen über Zweck, Ziel und Sinn), so können sie das gerade nicht aus ihrer Disziplin heraus, mit ihren Mitteln, sondern müssen metaphysische Annahmen treffen und Glaubenssätze aufnehmen, damit ihre Aussagen die ontologische Dimension überhaupt erreichen können. Das gilt es zu bedenken. Zudem scheinen einige Autoren die Spannung zwischen der Evolutionstheorie als Beschreibungs- und Erklärungsansatz eines richtungslosen Kausalmechanismus und den auf ihrer Grundlage zu erklärenden Kulturphänomenen, in denen Zweck, Ziel und Sinn greifbar sind, erheblich zu unterschätzen.

Die Frage lautet also, wie sich die Ahnung von Zweck, Ziel und Sinn in der Kultur mit einem Ansatz verträgt, der einer ateleologischen Forschungsmethodik unterliegt und einen ateleologischen Prozess zum Gegenstand hat. Dazu gibt es zwei Lösungsmöglichkeiten: Man bindet die allzu menschliche Sehnsucht nach Sinn an den Bereich der Orientierungssysteme (also an die Religion) oder man trägt sie unmittelbar in den Bereich der Verfügungssysteme (also in die Naturwissenschaft) hinein. Letzteres ist der methodische Ansatz des „Intelligent Design“, dessen Idee zu Recht kritisiert wird (hier: philosophisch von Kitcher und theologisch von Alexander Kissler). Die Spannung einfach zu ignorieren, kann nicht überzeugen.

Es ist weiterhin fraglich, ob Wissenschaft als kulturelles System überhaupt ohne weltanschauliche Prämissen möglich ist, da der Glaube dem Wissen stets voraus geht – man muss zumindest glauben, dass man überhaupt etwas wissen kann. Das muss kein Glaube an Gott sein, aber auch ein Glaube an die Konstanz der Naturgesetze oder ähnliches bleibt ein Glaube. Einige Wissenschaftler verdrängen diese Voraussetzung und rechnen ihre Axiome selbst zum Wissensbestand dazu. Das ist aber wissensphilosophisch falsch.

Gott als Garanten der vom Logos vernünftig geordneten Welt, ohne deren Gleichförmigkeit eine Verallgemeinerung von partikularen Beobachtungen durch die Formulierung von universell gültigen Gesetzen überhaupt nicht möglich wäre, als Bedingung jeder wissenschaftlichen Annäherung an die Natur zu verleugnen, mag zulässig sein, doch die Notwendigkeit, an etwas, das einem sinnvoll erscheint, ohne es wissentlich durchdrungen zu haben oder durchdringen zu können, im Glauben festzuhalten, also: zu vertrauen, muss zugestanden werden. Was aber ist an dem Glauben an die Selbstinitiation und -organisation des Universums „wissenschaftlicher“ als an dem Glauben an Gott als Schöpfer und Erhalter dieses Universums? Naturwissenschaftler, die den Glauben an Gott verächtlich machen, vergessen überdies die eigene Geschichte: Die modernen Naturwissenschaften entstanden, wie schon geschrieben, nicht im luftleeren Raum, sondern im Vertrauen auf einen gütigen, rationalen Geist, der im Christentum Gott genannt und mit dem Logos identifiziert wird (Johannes 1, 1). Es ist schade, dass nur wenig Wissenschaftler auch gute Wissenschaftshistoriker sind, wie der bereits erwähnte Owen Gingerich.

Glaube in der Wissenschaft wird heute geächtet, der Glaube an die Wissenschaft blüht umso mehr. „Wissenschaftsgläubigkeit“ (Huber) kann sich dabei in „Wissenschaftsaberglauben“ (Jaspers) verrennen, der die Wissenschaft zur „Weltreligion“ (Weizenbaum) überhöht. Im „Wissenschaftsglauben“ wird die Begründung religiöser Universalität, also „God’s view“ (Putnam), durch den „view from nowhere“ (Nagel) ausgetauscht. Epistemologisch ist damit aber nichts gewonnen: Beides ist Ausdruck eines Glaubens – an Gott oder eben an die Möglichkeit einer „neutralen“ Perspektive auf der Basis einer oft bestätigten, letztlich jedoch geglaubten universalen Geltungskraft der Naturgesetze.

Wertneutralität – auch zum historisch und aktuell spannungsreichen Thema „Forschungsethik“ könnte man mit unterschiedlichen Fragestellungen noch zu dem einen oder anderen Problem vordringen – kann es damit nicht geben, vor allem dann nicht, wenn letzte Fragen zur Debatte stehen. Die Wissenschaft verbietet sich schon deswegen als Hort einer etwaigen Wertneutralität, weil sie selbst eingebettet ist in die sie hervorbringende und umgebende Kultur und Gesellschaft und weil sie damit als soziales System von externen Faktoren abhängig bleibt. In der Gesellschaft ändert sich der kollektive Blick mit der Zeit, gelenkt zwar auch durch die Wissenschaft und ihre Erkenntnisse, vielmehr aber durch den Alltag und die ihn bestimmenden medialen, politischen und ökonomischen Einflüsse.

Nach Darwin lassen sich der Mensch, das Leben und die Welt besser erklären als vor Darwin. Aber auch mit und durch Darwin lässt sich nicht alles vollständig erfassen. Wer die Dinge im Ganzen in den Blick nehmen will, muss einen Schritt zurück treten – auch von Denkmal Darwin.

Die Evolutionstheorie widerlegt die Notwendigkeit eines Schöpfers in der Natur, steht aber der Möglichkeit eines Schöpfers einer Welt, in der sich die Natur entwickelt, indifferent gegenüber. Der „Mord“, den Darwin zu gestehen glaubt, sorgt allenfalls dafür, dass falsche Vorstellungen von Gott begraben werden müssen, nicht jedoch der Glaube. Und schon gar nicht Gott. Hören wir dazu noch einmal Darwin selbst: „Ich habe niemals die Existenz Gottes verneint. Ich glaube, dass die Entwicklungstheorie absolut versöhnlich ist mit dem Glauben an Gott.“

Titelbild

Charles Darwin: "Nichts ist beständiger als der Wandel". Briefe.
Herausgegeben von Frederick Burkhardt.
Übersetzt aus dem Englischen von Ursula Gräfe.
Insel Verlag, Frankfurt a. M. 2008.
415 Seiten, 36,00 EUR.
ISBN-13: 9783458174134

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Philipp Sarasin: Darwin und Foucault. Genealogie und Geschichte im Zeitalter der Biologie.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2009.
455 Seiten, 24,80 EUR.
ISBN-13: 9783518585221

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Thomas Junker / Sabine Paul: Der Darwin-Code. Die Evolution erklärt unser Leben.
Verlag C.H.Beck, München 2009.
224 Seiten, 0,00 EUR.
ISBN-13: 9783406584893

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Christian Kummer: Der Fall Darwin. Evolutionstheorie contra Schöpfungsglaube.
Verlagsgruppe Droemer Knaur, München 2009.
303 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783629022165

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Laszlo Mero: Die Biologie des Geldes. Darwin und der Ursprung der Ökonomie.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2009.
346 Seiten, 9,95 EUR.
ISBN-13: 9783499624308

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Philip Kitcher: Mit Darwin leben. Evolution, Intelligent Design und die Zukunft des Glaubens.
Übersetzt aus dem Englischen von Michael Bischoff.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2009.
223 Seiten, 24,80 EUR.
ISBN-13: 9783518585177

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Matthias Petzoldt / Annette G. Beck-Sickinger: Paradigma Evolution. Grenzen und Chancen eines Erklärungsmusters.
Peter Lang Verlag, Frankfurt a. M. 2009.
193 Seiten, 36,80 EUR.
ISBN-13: 9783631560822

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Charles Darwin: Zur Evolution der Arten und zur Entwicklung der Erde. Frühe Schriften zur Evolutionstheorie.
Kommentar vonm Uwe Hoßfeld und Lennart Olsson.
Übersetzt aus dem Englischen von Rita Seuß.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2009.
286 Seiten, 11,00 EUR.
ISBN-13: 9783518270134

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Richard Dawkins: Die Schöpfungslüge. Warum Darwin Recht hat.
Ullstein Verlag, Berlin 2010.
527 Seiten, 24,95 EUR.
ISBN-13: 9783550087653

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Philipp Sarasin / Marianne Sommer (Hg.): Evolution. Ein interdisziplinäres Handbuch.
J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 2010.
424 Seiten, 49,95 EUR.
ISBN-13: 9783476022745

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Volker Gerhardt / Julian Nida-Rümelin (Hg.): Evolution in Natur und Kultur.
De Gruyter, Berlin 2010.
300 Seiten, 69,95 EUR.
ISBN-13: 9783110213508

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Michael Arnold: Evolution Religiosität Gott. Eine Antwort auf Richard Dawkins.
Stauffenburg Verlag, Tübingen 2010.
155 Seiten, 14,80 EUR.
ISBN-13: 9783860570203

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Hans Kessler: Evolution und Schöpfung in neuer Sicht.
3. Auflage.
Verlag Butzon & Bercker, Kevelaer 2010.
221 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-13: 9783766612878

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