Zu dieser Ausgabe

Am 19. Juli jährt sich der Geburtstag Hermann Bahrs zum 150. Mal. Schaut man sich jedoch im Feuilleton und auf dem Buchmarkt um, so stellt man erstaunt fest: Das scheint offenbar niemanden zu interessieren. Ein viertelstündiges Feature auf WDR 3 ist angekündigt, sonst nichts. Zu Richard Wagners 200. Geburtstag im Mai waren die Zeitungen wochenlang voll mit Artikeln, jeder zweite Verlag brachte etwas zu Thema – und nun: gespenstische Stille.

Der „Mann von übermorgen“, als den ihn einst Maximilian Harden bezeichnete – heute völlig vergessen? Ist die „Überwindung des Hermann Bahr“, die Karl Kraus 1893 einforderte, nun doch eingetreten? Selbst in der Forschung zur Wiener Moderne beklagt man sich immer wieder, es gebe ja nichts zu Bahr, es sei eine Schande. Das lobenswerte Projekt „Hermann Bahr: Ein österreichischer Kritiker der europäischen Avantgarden“ an der Universität Wien stellt eine der wenigen Ausnahmen dar, hier wird ein Verzeichnis der zu Lebzeiten Bahrs erschienen Artikel und Essays erarbeitet, zudem werden die kritischen Schriften ediert (als pdf zum kostenlosen Download verfügbar). Auf dem Buchmarkt findet sich jedoch gerade einmal eine Neuerscheinung, der bald erscheinende Briefwechsel zwischen Bahr und Gerty und Hugo von Hofmannsthal, den Sie bei literaturkritik.de vorab rezensieret finden.

So bleibt uns nichts anderes übrig, als anlässlich von Bahrs Geburtstag den Blick etwas schweifen zu lassen: auf die zahlreichen Autoren, die von ihm gefördert wurden und die ihn an Bekanntheit längst übertreffen, auf Hugo von Hofmannsthal, auf Arthur Schnitzler und die anderen Vertreter Jung Wiens. Wir schließen damit an eine liebgewonnene Tradition an – denn auch in den vergangenen Jahren beschäftigten wir uns bereits mit der Wiener Moderne (siehe die Ausgaben 7/2012 und 1/2009).

Ganz aktuell begleitet unsere Juliausgabe auch die Berichterstattung über den – doch nicht allerletzten – Bachmann-Wettbewerk in Klagenfurt, Studierende der Universität Duisburg-Essen stellen die diesjährigen Teilnehmer vor und berichten von ihren Eindrücken direkt aus Kärnten.

Zuletzt eine Nachricht, die die Redaktion bestürzt hat: Wir trauern um unseren Autor Franz Siepe, der am 1. Juli vollkommen unerwartet verstorben ist. Seit 2008 verfasste Siepe für literaturkritik.de zahlreiche Beiträge vor allen zu philosophischen Themen. Zuletzt schrieb er unter anderem auch für renommierte Blätter wie die „F.A.Z.“ und für den Rundfunk. Er war ein überaus umtriebiger, zuverlässiger und engagierter Rezensent, den wir sehr vermissen werden.

Herzliche Grüße,

Ihr
André Schwarz