Der Tausendsassa

Roger Willemsen ist einer der letzten Freigeister der Republik: Zu seinem 60. Geburtstag wagt er in „Der leidenschaftliche Zeitgenosse“ einen Rückblick

Von Sebastian MeißnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sebastian Meißner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Er ist Publizist, Moderator, Intellektueller, sprühender Enthusiast und provokanter Schöngeist. Streitbar, niveauflexibel, humorig. Beliebt und gefürchtet für die Freiheit seiner Gedanken, seine maßlose Neugier und seinen nimmermüden Tatendrang. Roger Willemsen ist so vieles – und doch nur er selbst. Er ist ein Weitgereister. In Gedanken ebenso wie zu Fuß. In seinem Leben hat er sich auf viele Wege gemacht. Meist waren es unbetretene Pfade. Die Erkenntnisse und Erfahrungen, die er dort gesammelt hat, bereichern seit Jahrzehnten das öffentliche Bewusstsein.

„Der leidenschaftliche Zeitgenosse: Zum Werk von Roger Willemsen“ nähert sich nun anlässlich seines 60. Geburtstags nicht nur seinen Arbeiten, sondern auch dem Menschen Willemsen. Herausgeberin und Literaturkritikerin Insa Wilke hat zu diesem Anlass Gespräche mit Willemsen geführt, deren Abdruck den Hauptbestandteil des Buches ausmachen. Der Plauderton dieser Passagen ist eine der stilistischen Stärken.

Eine andere ist die gelungene Kombination von kleinen Anekdoten und großen Gedankenentwürfen. So erfährt man etwa, dass Willemsen bereits mit drei Jahren neue Wortschöpfungen kreierte: „Kriegen wir den Schlitten, wenn es mittagt?“ fragte er damals beispielsweise seine Mutter. Das Buch ist jedoch keine Sammlung von Lobhudeleien. Es zeigt auch scheinbare Makel in der Biografie des Gewürdigten auf. Willemsens Wege führten oft auch ins Abseits und in Sackgassen, und so verwundert es nicht, dass es vor allem die Fehltritte und Rückschläge sind, die seiner Biografie die Würze geben. Wer etwa annahm, Willemsen habe in der Schule den klassischen Streber gegeben, sieht sich getäuscht. Zweimal sei er sitzen geblieben, „wegen zu großer Doofheit, gemischt mit Faulheit, Desinteresse und mangelnder Leidenschaft für das, was ich können sollte“, wie er sagt.

„Der leidenschaftliche Zeitgenosse“ ist ein bunter Collagen-Mix aus (mitunter zu ausführlichen) Interpretationen seiner Romane, Einblicken in private Dokumente aus Kindertagen und Studienzeiten, Reflexionen seiner Überzeugungen, Hintergrundwissen zu seinen Karrierestationen und Begegnungen mit prominenten Figuren der Weltgeschichte. Entstanden ist ein aufrichtiges und kurzweiliges Portrait, das neben aller Information und Empathie für den Gewürdigten am Ende vor allem eines lehrt: Leidenschaft ist die Triebfeder zu großen Taten. Fest steht: Willemsen hat davon reichlich.

Titelbild

Insa Wilke (Hg.): Der leidenschaftliche Zeitgenosse. Zum Werk von Roger Willemsen.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2015.
520 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783100024220

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