gedechtnus reloaded

Neue ältere Forschungen zu Kaiser Maximilians Ruhmeswerk

Von Hiram KümperRSS-Newsfeed neuer Artikel von Hiram Kümper

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das vorliegende Buch ahmt das Schicksal seines Gegenstandes – ich darf vorausschicken: zum Glück – nur eine gewisse Wegstrecke lang nach. Bis zur „endlichen Fertigstellung“ nämlich, so heißt es im Vorwort der Herausgeber, seien wohl „annähernd so viel oder gar mehr Jahre vergangenen, als für das eine oder andere der Ruhmeswerke Maximilians I. selbst gebraucht worden sein dürften.“ Wie viele das waren – das bleibt uns das Vorwort schuldig. Aber eines unterscheidet den Band doch vom maximilianischen Ruhmeswerk als Gesamtkunstwerk: Er ist schlussendlich doch fertig geworden.

Dokumentiert werden in dem Band die Beiträge einer Tagung an der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel, die ein Thema vertiefte, das Mitherausgeber Jan-Dirk Müller wie vermutlich kein zweiter geprägt hat: das gedechtnus-Programm Kaiser Maximilians I., der sich wie wohl keiner seiner Vorgänger um die systematische und mit den neuesten Medien seiner Zeit realisierte Planung seines eigenen Nachruhms bemühte. Das hat Müller in seiner Heidelberger Habilitationsschrift von 1976 (erschienen unter dem Titel: Gedechtnus. Literatur und Hofgesellschaft um Maximilian I., 1982), die mit gutem Grund bis heute treffsicher in den ersten zehn Fußnoten eines jeden Beitrages, der sich auch nur im Entferntesten mit der Thematik beschäftigt, auftauchen dürfte, bereits umfänglich besprochen. Schon damals wandte er sich gegen eine Vereinnahmung Maximilians als „Symbolfigur der Epochenwende zwischen Mittelalter und Neuzeit“. Heute betont Müller – und mit ihm auch eine Reihe der Beiträge dieses Bandes – vor allem, wie sehr Maximilian dem Typus des Renaissancefürsten entsprach, des „politischen Virtuosen“ (so der Beitrag von Reinhard Stauber), der in und mit seinem gedechtnus-Programm schon zu Lebzeiten aktives „Self-fashioning“ (Stephen Greenblatt) betrieben habe. Zu den vielschichtigen Dimensionen dieses Self-fashioning will der Band einen Beitrag leisten. Und das tut er auch.

Leider merkt man dem Buch allerdings hier und da doch an, dass der Wille, es letztlich endlich in den Druck zu befördern, auch Anlass zu Konzessionen gegeben hat. So sind manche Beiträge, etwa das lesenswerte Referat von Jörg Jochen Berns zur Kontextualisierung des gedechtnus-Konzepts innerhalb der enzyklopädischen und mnemotischen Konzepte seiner Zeit, allzu offensichtlich Vortragsmanuskripte geblieben, denen der Vortragsstil (einschließlich Referenzen auf den Vortragsort) auch nachträglich nicht mehr ausgetrieben worden ist. Zwischenzeitlich haben zwar manche der Beiträgerinnen und Beiträger wohl die Gelegenheit zur Aktualisierung genutzt; allerdings auch das augenscheinlich schon vor einiger Zeit. Der Literaturstand nämlich ist im Wesentlichen – und auch das nicht in allen Beiträgen – der des 2009 erschienenen Themenbandes Kaiser Maximilian I. (1459-1519) und die Hofkultur seiner Zeit der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft. Jüngere Literatur, etwa die Publikation der maximilianischen Schaumünzen durch Heinz Winter (2013) oder die Kataloge zu den großen Maximilian-Ausstellungen in Wien (2012/13) und Mannheim (2014), ist nicht mehr berücksichtigt worden.

Dass das durchaus nicht immer gleich den Wert der Beiträge schmälert, liegt auf der Hand. Gerade die starke Orientierung am Material, die viele der Referate auszeichnet, lässt Beobachtungen zu, die so kurzlebig nicht sind, dass sie mangelnde Auseinandersetzung mit jüngeren Arbeiten nicht aushielten. Natürlich hat gerade das politische Handeln Maximilians, wie es Reinhard Stauber und Thomas A. Brady jr. (in spannender Auseinandersetzung mit Ranke) behandeln, in der Zwischenzeit noch eine ganze Reihe neuerer, aber ihrerseits auch nicht immer sonderlich origineller Behandlungen erfahren. Insofern torpediert das in nichts die hier vorgelegten Einschätzungen. Spannende neue Perspektiven eröffnen Christopher S. Wood und Jochen Brüning, die Archäologie und Mathematik im Umfeld des Kaisers näher beleuchten und damit Felder seiner wissenschaftlichen Interessen betreten, die noch nicht so sattsam beforscht worden sind.

Ein Großteil der Referate widmet sich einzelnen Werken des maximilianischen Ruhmeswerkes, namentlich Ehrenpforte, Triumphzug, Theuergang und Weißkunig. Der Freydal dagegen bleibt – wie mittlerweile schon fast traditionell – auch in diesem Band etwas unterbelichtet. Hier macht im Grunde nur Rabea Kohnen eine Ausnahme, die ihn in ihren „Überlegungen zum Theuerdank“ immerhin als Vergleichswerk ab und an heranzieht. Schätzenswerte Beiträge liefern die quellenkritischen Studien, die Vorbilder, Entstehungsphasen und spätere Rezeptionen aufzudecken suchen. So zeigt Thomas Schauerte zahlreiche burgundische Einflüsse auf, die Maximilian insbesondere in seiner Jugend hatte aufnehmen können, und gibt Mitherausgeber Hans-Joachim Ziegeler eine detaillierte Kollation der Theuerdank-Handschriften und frühen Drucke. Die im engeren Sinne literaturwissenschaftlichen Analysen fallen dagegen manchmal etwas blässlich aus. Die Häufung relativierender Untertiteln und Einleitungsphrasen wie „Überlegungen“, „Beobachtungen“ etc. deutet schon auf deren explizite Vorläufigkeit hin.

Anregend ist dieser Band für jeden Maximilian-Forscher allemal. Der klare gemeinsame Bezugspunkt rettet ihn – trotz aller Mäkeleien, die Rezensenten rasch bei der Hand haben – über die Klippe der reinen, kurzlebigen Buchbindersynthese und macht ihn zu einem konsistenten Diskussionsbeitrag zu einem Thema, das ganz sicher noch nicht ausgeforscht ist und noch einige Generationen beschäftigen dürfte. Die gründliche Erschließung durch umfangreiche Register tut dazu ihr Übriges. Also: Gut, dass dieser Band letztendlich doch noch im Druck erscheinen konnte!

 

Ein Beitrag aus der Mittelalter-Redaktion der Universität Marburg

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Jan-Dirk Müller / Hans-Joachim Ziegeler (Hg.): Maximilians Ruhmeswerk. Künste und Wissenschaften im Umkreis Kaiser Maximilians I.
De Gruyter, Berlin 2015.
462 Seiten, 99,00 EUR.
ISBN-13: 9783110351026

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