Wunderbare Ergänzung einer großen Werkausgabe

„Ein ewiger Traum“ von Jorge Luis Borges versammelt Essays von einem Klassiker der Moderne

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges (1899-1986) ist einer der wichtigsten Autoren des 20. Jahrhunderts und bereits heute ein Klassiker der Moderne. Ohne sein wegweisendes und bahnbrechendes Werk wäre die moderne hispanische Literatur undenkbar. Der Carl Hanser Verlag begann 1999 mit einer umfassenden Ausgabe der „Gesammelte Werke“ von Jorge Luis Borges, die seit dem Herbst 2009 in zwölf Bänden geschlossen vorliegt. Nun hat der Verlag mit „Ein ewiger Traum“ eine Vielzahl von bisher unbekannter Essays erstmals in deutscher Sprache veröffentlicht.

Neben der Lyrik war Borges Zeit seines Lebens besonders produktiv im Bereich der Essayistik. So vereint der vorliegende Sammelband Texte aus der großen Schaffensperiode des Schriftstellers, von 1922 bis 1985, also einen über sechzig Jahre überspannenden Zeitraum. Obwohl der Autor in seinen Essays eine Vielfalt von Themen aus allen Lebensbereichen anspricht, überwiegen natürlich Betrachtungen zur Literatur. So hat sich Borges bereits 1925 als einer der ersten hispanischen „Abenteurer“ mit dem Roman „Ulysses“ von James Joyce auseinandergesetzt. Auf den Seiten dieses Jahrhundertwerkes brodelt für ihn die totale Wirklichkeit „wie das Getümmel eines Reitplatzes“. Auch über Edgar Wallace, G.K. Chesterton, Franz Kafka, Franz Werfel, Tagore und andere Größen der Weltliteratur hat Borges seine Gedanken niedergeschrieben. Dabei erfährt man viel über die literarischen Vorlieben des Autors.

Das Shakespeare-Jahr 1964 (400. Geburtstag) war für Borges ein willkommener Anlass, sich gleich in drei kurzen Aufsätzen zu dem großen englischen Dramatiker zu äußern, unter anderem. zum „Rätsel Shakespeare“ und der angeblich ungeklärten Autorenschaft seiner Werke. Für Borges ist das „Rätsel Shakespeare“ aber nur ein Teil jenes anderen Rätsels, „der künstlerischen Schöpfung, die ihrerseits nur eine Facette eines weiteren Rätsels ist: des Universums“.

Auf den knapp 300 Seiten findet sich auch eine Geschichte der Engel ebenso wie eine Beschwörung der lateinischen Sprache oder ein Artikel über Ernst Jünger und dessen kriegerische Mystik. Den Abschluss bildet ein fünfteiliger „Autobiografischer Essay“ aus dem Jahre 1970, in dem Borges sein Leben von der Kindheit in Buenos Aires bis zu seinen emsigen literarischen Aktivitäten in den 1960er-Jahren verfolgt.

Der Essay-Band „Ein ewiger Traum“ besticht durch den aufschlussreichen Querschnitt der Texte, die häufig auch Abseitiges und Vergessenes behandeln. Für die Herausgabe und Übersetzung zeichnete Gisbert Haefs verantwortlich, der schon Mitherausgeber der Borges-Werkausgabe war.

Titelbild

Jorge Luis Borges: Ein ewiger Traum. Essays.
Übersetzt aus dem Spanischen und Englischen von Gisbert Haefs.
Carl Hanser Verlag, München 2010.
290 Seiten, 21,50 EUR.
ISBN-13: 9783446235472

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