Subtile Strategien

Jo Nesbøs Thriller „Headhunter“

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im Gegensatz zu den beiden vorherigen Romanen von Jo Nesbø, „Der Schneemann“ und „Der Leopard“, die beide aus der Reihe mit dem schrägen Ermittler Harry Hole stammen, hat Nesbø mit „Headhunter“ eine neue Figur eingeführt, deren Berufsbezeichnung schon durch den Romantitel vorweggenommen wird. Roger Brown ist ein solcher Headhunter. Wenn er im Auftrag eines Unternehmens einen Kandidaten für einen Job aussucht, wird dieser auch genommen. Dass Brown dabei noch eine andere Strategie verfolgt, wird dem Leser relativ schnell klar, wenn er an den Interviews teilnehmen darf, die Brown mit Jobbewerbern für das mittlere und obere Management führt. Er nutzt die Interviews, um private Informationen von den Kandidaten über ihre finanziellen Lebensumstände zu erhalten – um sie anschließend auszurauben. Die Raubzüge sollen Brown aus seiner finanziell angespannten Lebenssituation befreien, „fordert“ seine Frau doch einen Lebensstandard, den er sich nicht leisten kann: „Ich legte auf und ging aus der Telefonzelle. Der Himmel zog langsam zu, aber das bemerkte ich kaum. Es war alles okay. Absolut okay. Ich würde Multimillionär werden. Mich freikaufen, frei von allem. Die Welt – und alles darin, Diana inklusive – würde mir gehören.“

Ein Raubzug wird zum Disaster, weil Brown sein Gegenüber unterschätzt. Die Situation wird lebensbedrohlich: „Ich schloss die Augen und bedankte mich. Dafür, dass ich nicht von Greve verbrannt wurde, sondern lediglich erstickte. Denn diese Art zu sterben sollte recht angenehm sein: Das Hirn macht bloß nach und nach die Zimmertüren zu. […] Doch, dachte ich, mit so einem Tod kann ich leben.“ Nesbø baut den Roman weniger komplex als seine beiden Harry-Hole-Romane auf. Keine subtilen Gedankengänge, keine richtig überraschenden Wendungen, wie sie etwa in seinem letzten Roman „Der Leopard“ umfassend zelebriert werden. Die relativ gradlinige Handlung ist ungewohnt, aber da Nesbø sein Handwerk versteht, bleibt es spannend. Man wird für Brown nicht so viel Sympathie wie für Hole empfinden, aber eine gewisse Kombination von subtiler Bösartigkeit und menschlicher Schwäche lässt einen auch auf ein Weiterleben von Roger Brown hoffen, auch wenn manche Persönlichkeitsmerkmale ihn eher zu einem schwierigen Zeitgenossen machen: „Vielleicht war es auch nicht anders, Clas Greve zu sein: Für ihn war die Welt sicher ein bisschen weniger hässlich als für die anderen, weil er sich selbst nicht mit den Augen der anderen sag. Zum Beispiel mit meinen Augen. Ich aber sah ihn. Und ich hasste ihn. Hasste ihn mit einer solch überwältigenden Intensität, dass es mir selbst beinahe Angst machte.“

„Headhunter“ ist ein schneller Kriminalthriller, ein echter Pageturner. Nesbø hat übrigens schon die Zustimmung für die Verfilmung gegeben. Man darf also gespannt sein, wie sich die Figur weiterentwickelt.

Titelbild

Jo Nesbø: Headhunter. Thriller.
Ullstein Taschenbuchverlag, Berlin 2010.
301 Seiten, 12,95 EUR.
ISBN-13: 9783548280455

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